Die Late-Night-Show ist ein Format aus den goldenen Zeiten des Fernsehens – wir denken an Jon Stewart, Harald Schmidt und nun an einen jungen Mann, der das Format für uns ins 21. Jahrhundert hinüberrettet. Gemeint ist jetzt nicht Jan Böhmermann, auf den das auch zutrifft, sondern der Bochumer Schauspieler Helge Salnikau: Am Wochenende war die zweite Ausgabe seiner Live-Theater-Late-Night „Heute Nacht mit Helge“ zu sehen. Passend zur Vorweihnachtszeit drehte sich alles um ein Thema: „Ich will heute Liebe schenken“, verkündet der Showmaster auf der mit roten Luftballons ironisch verkitschten Bühne. Ein Seufzen geht durch die liebessatten Zuschauerreihen.
Denn so viel kann schiefgehen bei dem Thema Liebe: Kitsch droht von der einen Seite, billiger Zotenhumor von der Anderen. Helge umschifft diese humoristischen Untiefen, dank einer leichten Ironie, die den ganzen Abend trägt. Anekdoten aus dem Leben des Helge dürfen dabei genau so wenig fehlen, wie Faktenwissen über Zuneigung in all ihren Spielarten: Wussten Sie, dass amerikanische Wissenschaftler die Liebe zunächst für ein rein westliches Phänomen hielten? Oder, dass der Tiefpunkt einer Ehe, laut Statistiken, nach circa zehn Jahren erreicht ist? „Viele lassen sich ja vor dem Tiefpunkt scheiden“, appelliert Helge mit Ironie an die Geduld der Ehepaare.
Nun ist Liebe ein weites Feld, und sollte sich nicht auf die Liebe zwischen Menschen beschränken. Es gibt ja auch noch den uns alle liebenden Herrgott – der konnte als Showgast zwar nicht gebucht werden, dafür aber Propst Michael Ludwig. Shows zum Thema Liebe? Damit ist der humorvolle Geistliche vertraut: „Wir haben da was, das läuft immer: Weihnachten“, sagt er und schaut zu Helge Salnikau: „Du kannst dir da ruhig was abgucken, wir machen das schon seit 2000 Jahren.“
Ein anderer Gast war der Chef einer Bochumer Partnervermittlung, oder wie Helge es ausdrückt: „Tinder in echt.“ Auch Heike Köttner vom Madonna e.V. – einer Hilfsorganisation für Sexarbeiterinnen – war zu Gast. Showmaster Helge bewies hier, dass er auch bei ernsteren Themen den richtigen Ton trifft.
Natürlich gab es auch Musik: Helges musikalischer Side-Kick „Lovebärchen“ Linda Bockholt (in Bochum auch bekannt durch die Band „tengo hambre pero no tengo dinero“) sang mit dem Showmaster gemeinsam ein Medley bekannter Liebeslieder und gab zum Ende eine Rap-Einlage im Käpt’n-Peng-Stil zum Besten. Zum feurigen Abschluss des Abends zeigte Pole-Dancerin Amber, dass Liebe eben auch Ästhetik, Lust und Eleganz bedeutet – zumindest, wenn sich die Profis an die Stange wagen.
Ihr junger Schüler Helge hat da noch einiges zu lernen – was seine Fähigkeiten als Showmaster betrifft, kann sich der Schauspieler getrost auf seinen Lorbeeren ausruhen. Bis zur nächsten Ausgabe der Show, in zwei Monaten.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Ein zeitloser Albtraum
Franz Kafkas „Der Prozess“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Prolog 12/24
„Was heißt eigentlich Happy End heute?“
Alexander Vaassen inszeniert „How to date a feminist“ in Bochum – Premiere 05/23
Lug und Trug und göttliche Rettung
„Onkel Wanja“, „Orestes“ und „Dantons Tod“ – Prolog 03/23
Widerstand ist immer machbar
Januar-Programm der Freien Theater im Ruhrgebiet – Prolog 01/23
The Return of Tragedy
Theater im Ruhrgebiet eröffnen die neue Spielzeit – Prolog 09/22
„Wir müssen in der Lage sein zu spielen“
Hans Dreher vom Prinz Regent Theater über die Arbeit während Corona – Premiere 08/20
2 Stunden, 2 Spieler, 2 Stücke
Neue Dramatik im Prinz Regent Theater – Bühne 04/20
Es braucht kein Gewimmel von Hexen mehr
Goethes „Faust“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Auftritt 11/19
Lumpi gegen den Perfektionswahn
„Ein hündisches Herz“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Bühne 05/19
Archäologie eines Songs
Thomas Meinecke über „Cherchez la femme“ am 26.6. im Prinz-Regent-Theater Bochum – Musik 07/18
Der Feind im Kopf
„Extremophil“ im Prinz-Regent-Theater Bochum – Theater Ruhr 05/18
Die eine kommt, die andere geht
In Neuss und Bochum wechseln die Intendantinnen – Theater in NRW 04/18
Jenseits des männlichen Blicks
„Mother&Daughters“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 04/25
Von innerer Ruhe bis Endzeitstimmung
Die 50. Mülheimer Theatertagen – Prolog 04/25
Gegen den ewigen Zweifel
Die Ruhrfestspiele 2025 in Recklinghausen – Prolog 04/25
„Kunst hat keine Farbe, Kunst ist Kunst“
Isabelle und Fabrice Tenembot vom Verein Afrikultur über das 4. Mboa-Festival in Dortmund – Interview 04/25
„Der Text hat viel mit heute zu tun“
Regisseurin Felicitas Brucker über „Trommeln in der Nacht“ am Bochumer Schauspielhaus – Premiere 04/25
Das gefährliche Leben von Kindern
„Blindekuh mit dem Tod“ am Jungen Schauspiel in Düsseldorf – Prolog 03/25
Baum der Heilung
„Umuko“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 03/25
Gewinnen um jeden Preis?
„Alle spielen“ im Studio des Dortmunder Theaters – Prolog 03/25
Kabarett, Cochem-Style
„Zu viele Emotionen“ von Anna Piechotta in Bottrop – Bühne 03/25
Tanzen bis zum Umfallen
46. Duisburger Akzente – Festival 03/25
„Die Kraft des Buchs besteht in der Aufarbeitung“
Bettina Engelhardt inszeniert Bettina Flitners Roman „Meine Schwester“ am Essener Grillo-Theater – Premiere 03/25
„Ich liebe die Deutungsoffenheit“
Regisseur Roland Schwab über „Parsifal“ am Essener Aalto-Theater – Interview 03/25
Was wirklich in den Sternen steht
„Liv Strömquists Astrologie“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/25