Die Frage „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ wird nicht mehr gerne benutzt, wenn ein Kunde eine Buchhandlung betritt. Vielmehr muss der Buchhändler den Augenkontakt suchen, andeuten, dass er jederzeit zur Beratung bereit steht, aber mehr als ein Zwinkern soll er sich nicht erlauben. Worte sind nicht notwendig, der Kunde könnte sich gedrängt fühlen und die Buchhandlung möglicherweise in Zukunft meiden. Ja, der Verkauf von gedruckten Büchern im Zentrum unserer Städte ist schon eine heikle Angelegenheit, die sich über den sogenannten „stationären“ Buchhandel abwickelt wird. Sprachlich hat der Online-Buchhandel also schon die Pole-Position eingenommen.
Vor zehn Jahren propagierten die großen Buchhandelsketten die Kaufhaus-Präsentation von gedruckter Ware, niemand sollte sich noch von neunmalklugen Buchhändlern bei seiner Kaufentscheidung blamieren lassen. Nun wurden in einem Jahr alleine 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche geräumt. Die Ketten mit ihrer Großflächen-Strategie kommen zusehends ins Schwimmen, und die eingesessenen Buchhandlungen, deren Lebensnerv von der Stammkundschaft erhalten wird, beginnen, nach Jahren der Umsatzeinbußen wieder Boden unter den Füßen zu spüren. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels rät den Buchhandlungen derweil, sich „neu zu erfinden, ohne sich untreu zu werden“. Das klingt nach Otto Rehhagels Konzept von der „kontrollierten Offensive“ und lässt zwischen den Zeilen ängstliche Ratlosigkeit durchscheinen. Dahinter steckt die Forderung, die Buchhändler sollten sich mit dem E-Book auskennen und fit im Online-Angebot sein. Denn Autorenlesungen, möglichst noch mit Musikbegleitung und die Tasse Kaffee in der Schmökerecke haben wir schon gehabt. Da gibt es nichts mehr zu erfinden. Dass eine Buchhandlung aber mehr zu bieten hat als die Algorithmen der Suchmaschinen im Netz, dringt allmählich ins Bewusstsein. Dort, wo die Buchhandlungen verschwunden sind, spürt man, wie unangenehm sich ihr Verlust auf die Atmosphäre des Straßenbilds unserer Städte auswirkt.
Buchhandlungen sind Orte der Inspiration, dort begegnet man neuen Ideen und originellen Inhalten, die sonst nirgendwo in solcher Fülle und Dichte aufzuspüren sind. Nachdem sich die „uncharmanten Plastikbuchhandlungen“, wie die Branche inzwischen selbst ihre Großkontore mit Frontalpräsentation nennt, etablieren konnten, wird deutlich, dass Beratungskompetenz und persönlicher Kontakt doch ein Stück Lebensqualität für die Kunden bieten. Gute Buchhändler sind Vermittler von Inhalten, und in dieser Funktion ohne Pendant im Netz. Die Buchhandlung als ein Ort, an dem das kritische Denken noch zu Hause ist, wird angesichts einer Welt, in der immer mehr elektronische Kontrolle ausgeübt wird, in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Ob sie das rettet, wird sich noch zeigen. Axel Stemmer von den „Anderen Buchläden“ sagt: „Ich kenne keinen Buchhändler, der auf die Idee kommen würde, sein Geschäft an seinen Sohn oder seine Tochter zu vererben“.
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