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Andres Reukauf
Foto: Foto44

„Eine große Herausforderung“

24. November 2021

Komponist und Arrangeur Andres Reukauf über den musikalischen Mittelweg – Interview 12/21

trailer: Gerade hatte das Weihnachtsmusical „Alice im Wunderland“ Premiere. Die Generalprobe dazu war schon 2020 – eine Generalprobe, auf die dann wegen Corona keine Premiere mehr folgen konnte. War das eine besondere Stimmung, nach einem Jahr wieder zusammenzukommen und endlich die Premiere machen zu können?

Andres Reukauf: Das war eine sehr schöne Sache, sich wiederzusehen. Alle hatten große Lust und große Vorfreude darauf, dass das Stück endlich auf die Bühne kommt. Dass die Premiere letztes Jahr ausfallen musste, hatte zumindest noch ein bisschen Positives für uns: Wir nehmen jedes Jahr eine Weihnachts-CD auf, die dann rechtzeitig zur Premiere fertig ist. Aber im letzten Jahr war tatsächlich das Tonstudio, in dem wir immer aufnehmen, wegen eines defekten Kühlschranks abgebrannt. Deshalb hatten wir keine CD zum Stück. So haben wir dann den Premierentermin, den sich ja alle freigehalten hatten, dafür genutzt, wenigstens die CD aufzunehmen.

Ihre wievielte Weihnachtsmusical-Produktion ist das jetzt am Theater Hagen?

Das ist die elfte, die ich selbst komponiere und die siebzehnte, bei der ich in irgendeiner Form dabei bin, weil ich schon vor achtzehn Jahren ans Theater Hagen kam. Ich habe dort meine Theaterlaufbahn 2003 begonnen und war acht Jahre lang als Repetitor angestellt, also Pianist und Dirigent, und habe den Beruf dann dort von der Pike an gelernt, hab viel dirigiert. Der damalige GMD Antony Hermus hat mir auch schon früh Gelegenheit gegeben, für das Orchester zu arrangieren und eben auch zu komponieren. Und vor zehn Jahren habe ich mich dann als Arrangeur und Komponist selbstständig gemacht.

„Wird schon schiefgehen“

War es Ihre Idee, die Weihnachtsmusicals selbst zu schreiben und zu komponieren?

Die Märchen haben in Hagen ja eine jahrzehntelange Tradition, mit unserem Alleinstellungsmerkmal, dass wir das mit Live-Band machen. Das war damals eine Idee von Intendant Norbert Hilchenbach, und der Hans Steinmeier, der das vor mir gemacht hatte und den ich gut kenne, der war glaube ich ganz froh, dass er das nicht machen musste, weil er auch so ziemlich gut beschäftigt war. Und weil man wusste, dass ich ein Schreiberling bin, haben alle gesagt: „Wir versuchen’s mal mit dem Herrn Reukauf, wird schon schiefgehen“. Das war „Schneewittchen und die sieben Zwerge“.

War das für Sie etwas Neues, für Kinder zu schreiben und zu komponieren?

Ja. Ich habe immer viel arrangiert, seit ich dreißig bin. Aber ich hatte da zum ersten Mal so ein richtig großes Textbuch in der Hand und wusste: Jetzt muss ich dreizehn Songs und Zwischenmusiken und Ouvertüre und Schlussmedley schreiben. Das war auf jeden Fall was Neues für mich und eine große Herausforderung, ja.

Ihre Musik ist ja durchaus anspruchsvoll, und hat schon mal etwas Jazziges oder Funkiges. Haben Sie sich im Vorfeld Gedanken darüber gemacht, ob Sie für Kinder anders komponieren müssen? Vielleicht etwas einfacher?

Ich bin immer sehr froh, wenn es mir gelingt, einen Mittelweg zu finden, wenn die Musik – so hoffe ich – Kindern und Erwachsenen gleichermaßen gut gefällt. Ich gehe natürlich immer vom Textbuch aus und versuche, dass die Melodien, die nachgesungen werden können, möglichst kindgerecht sind. Also, die Melodien zum Mitsingen sind einfach, aber ich versuche die so zu harmonisieren und mit der Band rundherum auszuschmücken, dass es insgesamt komplex und anspruchsvoll klingt.

„Unfassbar fantasievolles Bühnenbild“

Sie haben eben gesagt, dass Sie bereits an siebzehn Produktionen beteiligt waren. Vor einiger Zeit hat die neue Leiterin des Kinder- und Jugendtheaters, Anja Schöne, die Inszenierung der Weihnachtsmusicals übernommen. Gab es da einen Wandel?

„Alice“ ist jetzt die dritte Inszenierung von Anja Schöne. Sie hat auch das Textbuch geschrieben. Was mir bei ihr immer auffällt, ist ein besonderer Sprachwitz. Und sie hat mit Sabine Kreiter eine ganz tolle Ausstatterin, die immer ein unfassbares und bewusst fantasievolles Bühnenbild auf die Bühne stellt. Also, was auf der Bühne zu sehen ist, das finde ich absolut gewaltig.

Hat sich die Erfolgsserie der Hagener Weihnachtsmusicals auch auf Ihre Arbeit außerhalb des Theaters ausgewirkt?

Ich bin natürlich immer froh, wenn es für mich auch außerhalb des Theater Hagen läuft, wobei ich dann hauptsächlich als Arrangeur tätig bin. Das heißt, ich schreibe Stücke um. Weihnachten ist immer meine Hauptsaison, sozusagen. Dann kommen Orchester auf mich zu und sagen zum Beispiel: Wir haben einen Kinderchor und einen Mezzosopran und ein großes Orchester und wir hätten gerne ein Medley aus drei bekannten deutschen Weihnachtsliedern. Und dann ist es meine Aufgabe, daraus eine schöne Gala-Version zu machen. Also hauptsächlich arrangiere ich, ich habe aber auch immer wieder Gelegenheit zu komponieren, zuletzt für das Theater in Münster.

„Ich war immer der, der gefragt wurde, wenn es Richtung Rock, Pop, Jazz ging“

Sie sind ja erst einmal Jazz-Musiker gewesen und haben dann auch noch die klassische Ausbildung gemacht. Wie kam es dazu?

Ich konnte quasi von klein auf immer E und U spielen – Ernste Musik und Unterhaltungsmusik. Meine Klavierlehrerin hatte zum Glück einen Hang zur Improvisation und war offen für alles. Ich konnte schon als Siebenjähriger ein klassisches Stück und parallel einen Blues oder einen Boogie-Woogie am Klavier üben. Ich bin eigentlich ein Leben lang zweispurig aufgewachsen mit E und U. Ich habe immer beides gemacht. Ich habe immer ein klassisches Stück und etwas Jazziges oder Improvisiertes auf dem Klavier stehen gehabt. Und dann war das mit der Ausbildung so, dass ich als Jugendlicher gesagt habe: Ach, nur klassische Musik zu studieren ist für mich viel zu langweilig. Dann will ich lieber Jazz studieren. Und deshalb war ich zuerst an der Jazz-Schule in Zürich. Ich habe da zwei Jahre studiert und dann gemerkt: Ein bisschen technisches Rüstzeug fehlt mir noch; ich möchte doch noch das klassische Studium machen. Dann war ich am Züricher Konservatorium, habe aber nebenbei weiterhin ein Jazz-Trio gehabt, improvisiert und auch Musik geschrieben. Aber das grundlegende klassische Studium habe ich sieben Jahre lang gemacht und dann auch abgeschlossen. Am Theater Hagen war ich immer der, der gefragt wurde, wenn es Richtung Rock, Pop, Jazz ging.

Interview: Karsten Mark

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