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Michael Lippold und der Scheiterhaufen
Foto: Rottstr5 Theater

Jesus auf dem Grill

28. Juli 2011

Dostojewskis „Der Großinquisitor“ in Bochum - Theater Ruhr 08/11

In den Katakomben der Inquisition wird Fleisch gegrillt und gequalmt, dass sich die Lungen quälen und die Nasen rümpfen. „Der Großinquisitor“ heißt das Stück im Bochumer Off-Keller Rottstr.5. Es ist ein 75-Minuten-Monolog über Gott und die Welt, frei nach einem Mega-Splitter aus Dostojewskis Wälzer „Die Brüder Karamasow“, oft eher als Lesung oder Hörspiel genutzt, hier aber vorsätzlich inszeniert, mit Schauspieler Michael Lippold als Teufel, als Heiland und Großinquisitor in einer Person, vor und hinter einem Scheiterhaufen aus Stühlen, mit Kutte und Grillgeschirr, heißer Kohle und ein Paar blassblauer Kontaktlinsen, die mich zumindest an den Bösemönch aus „Name der Rose“ erinnerten. Licht, Intro und Zwischentexte aus dem Off, soweit wäre die magere Szenerie bereitet.

Eigentlich ist es ein Gespräch zwischen den Brüdern Iwan und Aljoscha Karamasow, dem die Idee einer Wiederkehr von Jesus in das mittelalterliche Spanien zugrunde liegt. Hier herrscht der greise Kardinal-Großinquisitor von Sevilla, der den Heiland zwar erkennt, ihn aber dennoch in den Kerker werfen lässt um ihn wegen des leichtfertigen Freiheitsversprechens an die Menschheit anzuklagen, dessen Liebe nach der Überzeugung des Kardinals ein weltfernes Prinzip die Lebenswirklichkeit des Menschen konterkariert. Nur die Heilige Römische Kirche könne eine Ordnung aufrechterhalten, die auch durch brutale Durchsetzung christlicher Normen, ein halbwegs gesichertes Leben der Menschen garantiere. Soweit so gut. Die Grenzen des Nihilismus sind bekannt, auch sie enden meist an Scheiterhaufen, in Gulags oder der Deutschen Bank. Auch hier schweigt Jesus beständig.

Leider kommt die Inszenierung nicht soweit. Durch die gewaltige Textmenge, die Lippold professionell in den Raum rezitiert, bleiben Choreografie, Musik und Echtzeitgegrilltes nur Randerscheinung einer schwach bewegten Lesung mit ein paar Kleiderwechseln. Auch ein glänzend ausgefeilter Monolog ist also schwierig im Keller der Christenheit zu performen, da bleibt dann auch die Idee eines sehr filigran aufgestuhlten Scheiterhaufens auf der Strecke. Nur der Zigarettengestank vom offensichtlichen Nichtraucher Lippold wird haften bleiben – an der Kleidung.

„Der Großinquisitor“ von Fjodor M. Dostojewski I R: Hans Dreher I Rottstr5 Theater Bochum I Sa 6.8. 19.30 Uhr I 0163 761 50 71

PETER ORTMANN

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