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Keine Hoffnung auf Toleranz

29. Januar 2011

„Nathan der Weise“ in Bochum - Theater Ruhr 02/11

In den Zentren der Macht geht es nur scheinbar nobel zu. Kälte, wo Wärme sein sollte. Schmucklosigkeit, wo eigentlich Prachtvolles vermutet würde. Ein Tisch, ein wenig Obst, ab und an mal eine Zigarette. Geschäftsmäßig sehen die Räume aus, in denen die Mächtigen agieren. Austauschbar sind sie, und deshalb lässt Regisseurin Lisa Nielebock die Handlung um Lessings weisen Nathan gleich in einem steril Weißen spielen. Der jüdische Geschäftsmann (Jürgen Hartmann), könnte auch abgeklärter Manager sein, Sultan Saladin (Andreas Grothgar) ein diplomatischer Staatslenker. Nur die Fraktion der Christen kommt wenig moderat daher, der Patriarch von Jerusalem (in drei Rollen: Holger Kunkel) muss für zeitgenössische Kirchenkritik herhalten, wenn er den jungen knackigen Tempelherren befingert.

Ansonsten spult die Handlung choreografisch gekonnt vor und hinter dem Konferenztisch ab, alles kulinarisch inszeniert im White Cube der Religionen. Glaube und Toleranz als unvollendetes Kunstwerk, in dem die wichtigen Männer alle Ringe tragen, ob der eine dabei ist, soll sich zeigen, spätestens als der Sultan in Geldnöten Nathan in eine ziemlich schwierige Lage lockt: der reiche Jude soll dem abgebrannten Moslem erklären, welche Religion die richtige sei. Den Kopf aus der Schlinge rettet die berühmte Ringparabel, die Nathan gerade noch einfällt. Es geht wie immer um die beste Religion. Dass zwischen Erkenntnis und Realität Welten liegen, zeigt die letzte Szene in Nielebocks Inszenierung, in der mit leckerem Obst bombardiert wird. Denn die Geldsorgen des Sultans sind überwunden, Nathan wird trotz weisen Wissens weiter Gewinne auf Kosten anderer machen, und auch die Klauen des Patriarchen sind irgendwie nicht gestutzt worden. Mit Lessing liegen sich nur die Zusammengeführten in den Armen. Nathan schweigt dazu, denn seine Position in dieser schwebenden Gesellschaft bleibt latent gefährlich. Vielleicht hat er seinen Kopf ja nur temporär aus der Schlinge gezogen. Der Zuschauer hat es da leichter. Nach zwei Stunden zieht er denn gefahrlos aus dem Theater, wurde angenehm unterhalten, nur die Thematik wabert noch ein wenig im Gehirn herum, zumindest bis zu neuen Informationen aus dem Gaza-Streifen.


„Nathan der Weise“ I Sa 5.2., 19.30 Uhr I Kammerspiele Bochum I 0234 33 33 55 55

PETER ORTMANN

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