Kulturelle Bildung hat sich die Politik auf die Fahnen geschrieben, zahlreiche geförderte „kindgerechte“ Kulturveranstaltungen sind dadurch entstanden. Die diesjährige RuhrTriennale geht einen anderen Weg. Das Programm heißt „No Education“, Schirmherr ist der unvergessene Gründungsintendant Gerard Mortier. Wieso keine Lehre? Etwa nur Genuss? Aber mit Überforderung? Mortier gibt die Zielrichtung vor und schreibt, dass es keinen Grund gebe, einem Zuschauer Komplexität zu ersparen. Egal, wie klein er sein mag. „No Education“ basiere auf der Beobachtung, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen offen sind für solche vielfältigen Wahrnehmungen. Es müsse Schluss sein „mit den ‚adults only‘-Bezirken!“
Und so wird auch die Mega-Installation „Our CenturY“ vor der Bochumer Jahrhunderthalle keine dieser Areas werden. Ab dem 17. August verwandelt das Berliner Künstlerduo Folke Köbberling/Martin Kaltwasser mit freiwilligen (jungen) Bauenthusiasten aus dem Ruhrgebiet das Gelände rund um die ehemalige Maschinenhalle in eine urbane Landschaft. Am Anfang steht nur eine Architekturküche, in der die nötigen Baumaterialien gesammelt, sortiert und zubereitet werden. Danach sind alle eingeladen, eigene Ideen und Knowhow einzubringen, mit Akkuschraubern, Hämmern, Sägen und anderen Utensilien anzurücken.
Zu einem Workshop über Bewegungslosigkeit, der den Blick auf unsere Idee von Kindheit lenken soll, auf die Probleme, auf die Spannungsverhältnisse, denen Kinder ausgesetzt und für die sie zugleich oft die Auslöser sind, lädt der französische Tänzer und Choreograf Boris Charmatz ins Museum Folkwang. Seine Arbeiten bewegen sich immer wieder in der Nähe der bildenden Kunst und Philosophie. Eine künstlerische Haltung, die auch zu „No Education“ passt. Der Workshop „links“ entsteht im Kontext der Live Art-Ausstellung „12 Rooms“.
Und die RuhrTriennale stellt sich den gnadenlosesten Kritikern der Welt. Die sind nämlich die wahren Anarchisten, lieben das Chaos, kennen keine Rechte, keine Pflichten. Diese ungebeugte Kraft voll ungestümem Stolz (Herbert Grönemeyer 1986), die die „Children’s Choice Awards“ verleihen wird, ist die freiwillige Selbstkontrolle der RuhrTriennale. Hundert Kinder aus der Metropole Ruhr werden dafür von Stadt zu Stadt und von Aufführung zu Aufführung reisen und dabei Musik, Theater, Tanz, Performance und Video einer kritischen Prüfung unterziehen.
Mit dem Blick geborener Experten und der Offenheit unvorbereiteter Kinder prallen sie auf zeitgenössische Kunst. Und sie sind wichtig. Sie erhalten einen roten Teppich und sie sind (hoffentlich) unbestechlich. Die feierliche Preisverleihung findet Ende September in der Jahrhunderthalle Bochum statt. Dann werden wir wissen, wer in diesem Jahr die coolste Tänzerin war oder wo das pappigste Pausenbrot gereicht wurde. Damit werden die Kinder wohl nicht überfordert sein.
Folke Köbberling/Martin Kaltwasser: „Our CenturY“ ab 17.8. I Jahrhunderthalle Bochum
Boris Charmatz: „links“ I Musée de la danse – Ein Workshop mit Kindern I
20. bis 24.8. I Museum Folkwang Essen I Infos: 0209 60 50 7147
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