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„Tango“
Foto: Uwe Stratmann

Linke Nostalgie

23. Februar 2012

„Tango“ im kleinen Wuppertaler Schauspielhaus – Theater Ruhr 03/12

Alle tanzen Tango in wechselnder Konstellation. Ein Künstlerhaushalt ohne Konventionen eben, ein Hort der Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen. Alle sind dermaßen emanzipiert, dass es der Hausherr Stomil nicht einmal mehr für nötig erachtet, sich die Hose zuzuknöpfen, dafür ist sein theoretischer Überbau fein ausgebildet, er scheut keinen Disput, wenn er nur künstlerisch kompatibel ist. Dass ihn seine Frau mit dem scheinbar einfältigen Hausfreund Edek betrügt, ist eher nebensächlich, alles nur Experiment. Die alte Generation, Onkel Eugen und seine Schwester Eugenia vertreiben sich die Zeit mit Kartenspielen. Die Groteske nimmt neue Formen an, als der junge Artur auftritt und gegen den Grundsatz, keinen solchen zu haben, aufbegehrt. Er will nicht mehr in dem Zustand leben, in dem sich nichts mehr bewegt, weil alles erlaubt ist, er will Arzt werden, ordentlich heiraten. Artur wird aggressiv. Altern in der Moderne ist für ihn keine Option. Und so reagiert er wie ein böser Junge: Der Onkel muss sich zur Strafe irgendwo hinhocken, Tante Eugenia kommt schon mal in den Sarg.

Regisseurin Iwona Jera choreografiert ihre Protagonisten in wilder Hatz über die Bühne mit verschiebbaren Türen. Dadurch geht einiges an Filigranem am Zuschauer vorbei. Den großartigen Schauspielern fehlt manchmal sichtbar Zeit, die Szene zu Ende zu spielen, da müssen sie auch schon für den nächsten Regieeinfall parat stehen. Zwischen Videoeinblendungen und Slapstick-Einlagen, aber auch in der „Tanz“-Performance mit den Türen kann sich Artur nicht gegen den Vater auflehnen, da ja immer noch „nichts verboten sei“. Dafür erntet er bei diesem ständig Verständnis fürs Aufbegehren, er habe ein Recht auf Revolte. Es ist schon nostalgisch, die versteckte Gesellschafts-Kritik des 1964 geschriebenen Stücks von Slawomir Mrozek nachzuvollziehen. Manches gleitet dabei ins Komische, manches – wie der Stillstand im Leben durch eingefrorene politische Auseinandersetzung – macht traurig. Ein furioses Schauspielerstück ist es allemal. Am Ende sind Tante Eugenia und Artur tot, ihr endgültiges Verweilen im Sarg (ein blumenbestickter Schlafsack) sorgt für eine Veränderung der Herrschaftsverhältnisse: Die Waffen haben gegen die Nonkonformisten gewonnen.

„Tango“ | Mi, 28.3., 20 Uhr | Kleines Schauspielhaus Wuppertal | Infos: 0202 5694444

Peter Ortmann

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