Es gibt Filme, die unser Verständnis von schön und hässlich, gut und böse, fremd und vertraut auf den Kopf stellen. Und es gibt „Star Wars“. Das verstaubte Märchen, aufgepeppt mit Vaterkomplexen, Chewbacca und Laserschwertern, bietet erzähltechnisch wenig. Wenn man sich den Jedivirus aber schon in früher Kindheit zugezogen hat, war das Ereignis des letzten Monats trotzdem die Veröffentlichung des Trailers zum neuen „Star Wars“-Film „Rogue One“, der im Dezember in die Kinos kommt.
Und als der Todesstern sich langsam vor die Sonne meines Verstandes schob, erinnerte ich mich an ein Gespräch mit einem jüngst vom Virus geheilten Freund, der mir erklärte, weshalb es nicht mehr Rebellen sind, die im letzten Film gegen ein Imperium kämpfen (Bürgerkrieg), sondern eine Republik gegen eine Neue Ordnung (Staatenkrieg): China sei schuld, so seine These: Ein Film über Aufständische, die einer Diktatur die Stirn bieten, würde doch den Zensoren zum Opfer fallen. In der Tat, China ist ein neuer, attraktiver Markt für die Filmwirtschaft. Und Selbstzensur zwecks Profitmaximierung wäre nichts Neues. In „Rogue One“ wird’s schwieriger, hier kämpfen wieder Rebellen gegen Supermacht.
Wobei das Finstere Galaktische Imperium dem antiken Rom nachempfunden ist, und das gilt gemeinhin nicht als friedliebender Gutmenschen-Staat. Davon können wir uns nun, fast ein Jahrhundert nach der ersten Verfilmung, bei der Neuauflage von „Ben Hur“ überzeugen. Randnotiz: Die erste Verfilmung des Historienromans im Jahr 1907 sorgte für den ersten Präzedenzfall des Urheberrechts im Film: Drehbuchautorin Gene Gauntier orientierte sich etwas zu stark an einer bereits bestehenden Bühnenfassung; das Gericht urteilte: Urheberrechtsverletzung. Blöd gelaufen für das Filmteam, gut für Generationen von Drehbuchautoren: Dank dieses Urteils war der Film, der damals vielen noch als Jahrmarkts-Schnickschnack galt, zumindest juristisch in der Sphäre der Kunst angekommen.
Wer sich für echten Widerstand jenseits von Märchenkitsch interessiert, dem sei diesen Monat „Raving Iran“ ans Herz gelegt: Susanne Regina Meures begleitet die persischen Techno-DJs Anoosh und Arash durch ihre Heimat und zu illegalen Partys in die Wüste. Irgendwann haben die beiden die Heimlichkeit satt – und damit fangen die Probleme an.
Noch ein Filmtipp für Musikfans: „Mali Blues“ von Lutz Gregor folgt Jazz und Blues bis an ihre Wurzeln nach Westafrika, wo Musiker von idiotischen Eiferern verfolgt werden. Weil Musik verboten ist. Weil Bildung verboten ist und beides gefährlich für alle, die herrschen wollen. Einige der Protagonisten der Doku, zum Beispiel Bassekou Kouyaté, durften wir im letzten Jahr auch hier im Ruhrgebiet, genauer im Bahnhof Langendreer, live erleben.
Es ist schon seltsam: Filme wie „Raving Iran“ oder letztes Jahr „Taxi Teheran“ dürfen im spießig-islamistischen Iran nicht gezeigt werden, zum Glück aber hier im Westen. Auf der vermeintlich freien Seite des großen Teichs scheint man Blockbuster so zu planen, dass sie keinen Zensor stören. Ich spüre eine Erschütterung der Macht.
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