Kippen im Hof. Gitter vor den Fenstern. Die Müllpresse dröhnt. Wer in New York wohnen will, muss leidensfähig sein. Meint die als Kellnerin jobbende Komponistin Brigid Blake (Karolina Horster). Mit aufgeschäumter Fröhlichkeit und quecksilbrigem Überschwang empfängt sie ihre Familie zum Thanksgiving in der neuen Wohnung und überspielt jedes Geräusch, das als Soundtrack die Bochumer Aufführung (Komposition: Nina Wurman) begleitet. Das Donnern ist in Brigids Wohnung Alltag. Klang gewordene gesellschaftliche Gewalt, die den Menschen bedroht.
Stephen Karams Stück „The Humans“ ist ein klassisches „well-made play“ in der Tradition amerikanischer Familienstücke von Arthur Miller bis Tracy Letts. Familie Blake trifft sich bei Tochter Brigid und ihrem Freund Richard. Vater Erik und Mutter Deirdre wohnen in einer Kleinstadt, kommen wirtschaftlich nur schwer über die Runden und leiden an allen möglichen Gebrechen. Ihr zweite Tochter Aimee, von Beruf Bankerin, leidet an einer chronischen Darmkrankheit. Eriks Mutter Momo ist dement. Trotzdem frotzelt, knuddelt und streitet die Familie einträchtig miteinander. Johanna Eiworth als religiöse Mutter Deirdre (Johanna Eiworth) stürzt sich in Bochum mit aufgeputztem Überschwang auf die Einrichtung der neuen Wohnung, Vater Erik (Bernd Rademacher) lästert gegen die Großstadt und preist die Vorzüge der Provinz. Die schäbige zweistöckige Kellerwohnung und die spärliche Einrichtung aus Sessel und Kisten oben, Küchenzeile sowie Campingtische und -stühle unten wird lustvoll durchgehechelt (Bühne: Otto Kukla). Karams eher sentimentales, emphatisches Familienbild konterkariert Regisseur Leonard Beck (der für Otto Kukla eingesprungen ist) nicht wirklich überzeugend mit dem lautem Ton überspielten Leids. Nach dem Motto: Je artifizieller die Ungezwungenheit, desto tiefer der Abgrund. Der ist allerdings eher gesellschaftlicher, als persönlicher Natur. Die Blakes gehören zur Mittelschicht und sind Opfer des Neoliberalismus. Erik und Deirdre müssen ihre Haus und ihre Grundstück verkaufen und verfügen über keine Rente. Während er seine Rückenbeschwerden mit Übungen zu lindern versucht und seine Albträume wegwitzelt, flüchtet sich die vor Arthrose humpelnde Deirdre in eine ironisierte Religiosität.
Die psychische Unterminierung der Mittelschicht durch eine drängende Angst nach 9/11 verdichtet sich in Eriks Albträumen, im (Zigaretten-)Ascheregen im Hinterhof oder dem ständigem Donnern. Die Regie verweigert sich Karams symbolischem Zugriff weitgehend und verlegt sich auf einen psychologischen Schmalspur-Realismus. Mit steigendem Alkoholpegel kommen dann die Geheimnisse am Campingtisch ans Tageslicht: Eriks Jobverlust aufgrund eines Seitensprungs, die Kündigung der so smart-eleganten Aimee (Kristina Peters) oder die frühere Depression des versöhnlichen Richard (Michael Kamp). Dieser Enthüllungsgestus wirkt allerdings schon im Stück angeklebt und wird durch die Inszenierung nicht glaubhafter. Erstaunlich, wie schwer sich das Bochumer Schauspiel mit einem amerikanischen well-made play tut.
„The Humans. Eine amerikanische Familie“ | R: Leonard Beck | 26.12. 19 Uhr, 7.1. 17 Uhr, 10., 20.1. 19.30 Uhr | Schauspielhaus Bochum | www.schauspielhausbochum.de
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