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„Leonce und Lena“
Foto: Birgit Hupfeld

Nervig, aber schlüssig

28. Juni 2012

„Leonce und Lena“ in Dortmund - Theater Ruhr 07/12

Sie ist eine wirklich scharfe Puppe, diese Lena: die Lippen rot, die Haare blond, ein Teint von nobler Blässe. Und auch sonst ist alles dran, was sich ein verwöhnter Jungspund wie Leonce so wünscht von einer Gespielin. Dumm nur, dass diese Lena (Bettina Lieder) tatsächlich bloß ein Püppchen ist, eines, das sich am Rücken aufziehen lässt und seinen Text so demonstrativ herunterleiert, dass es einem schnell den letzten Nerv raubt. Leonce (Christoph Jöde) stört das nicht. Ihm ist das Hirn längst in die Hose gerutscht, woran die Regie mittels sprießender Spargel in Videoprojektion keine Zweifel lässt. Subtil geht anders, aber darauf hat es Regisseur Paolo Magelli mit Büchners „Leonce und Lena“ auch nicht angelegt. Sein „Sommertheater“ auf der reaktivierten Industriebrache „Phoenix-West“ in Dortmund ist eine schrille Freakshow, ganz so, als fürchtete der Italiener, alles andere könnte in der riesigen Halle des ehemaligen Stahlwerks zu schnell verpuffen. Also fährt er einiges auf. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen: König Peter (Sebastian Kuschmann), ein alberner Operetten-Despot, macht auf dicke Hose und röhrt im pinken Volvo-Cabrio mit quietschenden Reifen durch die Halle. Dummerweise hat er dabei gar keine Hose an, und aus dem Slip hängt auch noch unübersehbar das Gemächt. Später wird ebenso geräuschvoll Valerio (Frank Genser) im Oldtimer-Motorradgespann vorfahren, um Prinz Leonce nach Italien zu kutschieren. Das PS-strotzende Spektakel ist nett anzusehen, allerdings hat das Publikum an den Abgasen der alten Benzinstinker auch allerhand zu schlucken. Angenehm ist das nicht. Über die Schmerzgrenze manch eines Zuschauers geht auch Magellis Ansatz, das Publikum als tumbe Untertanenmasse vorzuführen und herumzukommandieren. Der sukzessive Exodus beginnt etwa zur Hälfte der gut zweistündigen Inszenierung. Da steht dann mittlerweile die gesamte Hochzeitsgesellschaft mit heruntergelassenen Hosen auf der Bühne. Warum? Nur Magelli weiß es, der seine Inszenierung zum Ende hin zunehmend auf Krawall bürstet. Die so manches Mal falsch verstandene Romantik des tatsächlich recht ätzend und satirisch angelegten Büchner-Lustspiels zu demontieren, ist mehr als legitim. Allerdings hat Magellis Inszenierung ein unleugbar hohes Nervpotenzial. Man muss sie nicht mögen. Schlüssig aber ist sie durchaus.

„Leonce und Lena“ I 1.7. 20 Uhr (zum letzten Mal) I Phoenix Halle Dortmund I 0231 502 72 22

KARSTEN MARK

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