Was machen Sie eigentlich an Silvester? Gelage, Besaufen, Dauerfuttern, Fernsehen, früh ins Bett? Wie wär es denn mal mit Theater? Ach, sie wussten gar nicht, dass die an diesem Tag spielen? Was sollten die denn sonst machen? Gelage, Besaufen, Dauerfuttern, Fernsehen, früh ins Bett? Zugegeben, nicht alle Theater wollen ihr Publikum auch beim Feuerwerk um sich haben. Die freie Szene schläft da meist schon, und hier und da ist bei den Stadttheatern auch um 22 Uhr bereits Zapfenstreich.
Darstellendes und Party
Schauen wir mal durch: In Dortmund geht es in der Oper heiß her. Erst das Musical „Sunset Boulevard“ (Boulevard der Dämmerung) von Andrew Lloyd Webber nach dem Film von Billy Wilder und Deutsch von Michael Kunze und mit der international gefeierten Pia Douwes als Norma Desmond. Spannend wie ein Krimi erzählt Billy Wilder in seinem 1950 gedrehten Klassiker die Geschichte der großen Tragödin, deren Karriere durch den technischen Fortschritt schlagartig endete. Dennoch muss niemand auf die Silvesterparty verzichten: Im Anschluss an die Vorstellung gibt es hochkarätiges Jazz-Vergnügen mit dem Peter Beets Trio, Dian Pratiwi sowie Uwe Plath im Foyer.
Ähnlich viel Spaß anne Backen gibt es im Bochumer Schauspielhaus. Als Spätvorstellung hat der Besucher hier die Wahl zwischen Kafkas Drama um ein einsames Ungeziefer oder die wilde Verwechslungskomödie „Weekend im Paradies“ um den Regierungsrat Dittchen, der eine skandalöse Weekend-Bewegung auffliegen lassen will, um damit seine Karriere zu befördern. Im Anschluss an die Spätvorstellungen feiert er dann doch lieber eine Silvesterparty im Foyer des Schauspielhauses mit DJ Djan.
Witziges ohne Gehopse
Wem das dann doch alles zu viel Gehopse wird, dem sei entweder die weiße „Scheißkunst“ von Yasmina Reza im Essener Grillo empfohlen. Hier muss der liebe Serge sein weißes Bild mit weißen Streifen gegen seine Kumpels verteidigen. Er hält es für Kunst, ich auch, aber was weiß ich denn schon. Ein Stück zum Diskutieren bis morgens um vier. Eine eher ruhige Alternative ist vielleicht auch die großartige „Leonce und Lena“-Inszenierung von Philipp Preuss in Mülheim. Georg Büchners Lustspiel gilt als Perle der deutschen Komödienkunst, und anschließend schaffen sie es ja bestimmt noch zum Sektchen nach Hause. Oder fahren Sie vor dem Alkohol nach Moers. Zum Swinging Schlosstheater. Denn dort hört Dieter die Signale. Eigentlich nur Rauschen im Radio. Und Fetzen von Melodien. Die Ensemblemitglieder Patrick Dollas, Matthias Heße und Marissa Möller versuchen nun mit dem Pianisten Jan Lammert, daraus Lieder herauszufiltern. Dabei werden sie auch vor den gefährlichsten Hits seit Anbeginn des Radios keinen Halt machen. Publikum – hör die Signale. Sekt gibt’s hier nur vor der Vorstellung. Aber immerhin. Und sagen sie jetzt nicht, puh, irgendwie ist das nicht Fisch nicht Fleisch und unser Oma ist ja auch alleine zu Hause, und was machen wir mit den Kindern, dem Hund, der Katze, den Goldfischen? Da können wir natürlich auch nicht helfen. Es bleibt die Devise: Brot und Böller. Oder Trump niemals einem anderen. Jedenfalls: Guten Rutsch ins neue Jahr.
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