In dem nach seiner Textsammlung „Genauer betrachtet sind Menschen auch nur Leute“ (Knaur 2016) benannten Programm erweist sich der inzwischen in Dortmund lebende Slammer einmal mehr als „Libero auf dem Bolzplatz des Lebens“: Vor etwa 100 ZuschauerInnen begeistert Patrick Salmen mit einem Lesebühnen-Mix aus pointenreichen Geschichten und zuweilen bizarren Wortspiel-Rätseln. Angriffslustig prangert er die „allgemeine Tchiboisierung des Lebens“ („ja, ein offizielles Wort wie Islamisierung“) an, geißelt die „bräsige Dudeligkeit“ von Songs wie „Hallo Lieblingsmensch“ als „Hymne eines Amoklaufs“ und fordert als Gegenakzent zum allgemeinen Optimierungswahn ein „Antigram für Depressive“.
Das Markenzeichen des 1985 geborenen Slam-Meisters von 2010 ist sein staubtrocken-lakonischer Humor und die subversiv-sarkastische Tonlage seines Vortrags, die entfernt an Thorsten Sträter und zuweilen ein wenig an Marc-Uwe Kling erinnert. Zugleich beherrscht Patrick Salmen die humoristische Transformation jener popliterarischen Kunst, die Rainald Götz in seinem 1983 beim Ingeborg-Bachmann-Preis vorgetragenen Text „Subito“ als das „einfache wahre Abschreiben der Welt“bezeichnete. Manchmal schreibt Salmen einfach mit – so etwa beim Versteckspiel mit dem Patenkind: „Komm, wir spielen Spülmonster – das Resultat: Das Patenkind spült.“ Zuweilen jedoch stimme nur 90 Prozent der Story, bekennt der Autor augenzwinkernd. Auch gerappte Texte bedienen sich der Macht des Faktischen, indem Salmen etwa mit der Topographie des Ruhrgebiets spielt: „Deine Zähne sind wie Bochum und Duisburg – da ist noch Essen dazwischen...“
Salmen inszeniert sich auf der Bühne als Melancholiker, der sich jedoch selbstironisch immer wieder über die eigene Skurrilität erhebt. „Tiefsinniger wird es nicht“, prophezeit der Slam-Poet, nachdem er darüber aufgeklärt hat, dass ein Browser kein Duschkopf ist – um gleich die rhetorische Frage anzufügen, ob „jemand vom Feuilleton anwesend“ sei. Dann der groteske Nachsatz: „Am Arsch, Leute!“ Das Publikum jedenfalls hat Salmen mit seinem trockenen Pointenfeuerwerk längst entflammt – auch wenn seine Wortspielereien aus dem zusammen mit dem Stand-up-Künstler, Rapper und Dichter Quichotte gestalteten, inzwischen dritten literarischen Rätselband „Aufgeben ist keine Lösung – außer bei Paketen“ teils kryptisch daherkommen. So ist bei einem „Leerstellen-Rätsel“, wo über eine knappe Umschreibung hinaus nur Silbenzahl und Rhythmus vorgegeben werden, etwa der Filmtitel „Pretty Woman“ die gewünschte Antwort, als nach einer Kooperation zwischen Rüstungs- und Klebstoff-Industrie gefragt wird: „Uhu ist mit der Waffenproduktion gescheitert – seitdem macht Pritt die Wummen.“ Folglich sind einige sichtlich erleichtert, als es bei der Zugabe noch eine Geschichte statt weiterer Rätsel gibt…
Mehr Slam-Poetry im Grend steht Anfang Oktober auf dem Programm: Am 1.10. ab 20 Uhr wird mit der 43. Ausgabe des „Grend-Slam“ im Rahmen des anstehenden Jubiläumswochenendes das 20-jährige Bestehen des Kulturzentrums an der Westfalenstraße 311 in Essen-Steele gefeiert.
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