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Triste, weiße Wände als Hintergrund? „Berliner Schule“, scherzt Regisseur Robert Bohrer
Foto: Benjamin Trilling

Kreuzberg und die K-Frage

08. Mai 2019

Regisseur Robert Bohrer spricht in Dortmund über „Liebesfilm“ – Foyer 05/19

Soldaten der US-Armee schlendern über eine Landstraße. Die Helme baumeln lässig an ihren Uniformen herunter. Der Krieg gegen Nazi-Deutschland ist vorbei. Und was steht nun an? „Ich mache erst mal eine Weltreise“, erzählt der eine. Gefolgt von den Plänen des anderen: „Erst mal ein Praktikum“. Der dritte Vorschlag: „Schön abfeiern“. Es ist eine der vielen surrealen Einsprengsel, mit denen das Regie-Duo Emma Rosa Simon und Robert Bohrer die Tagträume ihres Protagonisten Lenz (Eric Klotzsch) bebildern. Innerlich vergleicht er sich mit seinem Vater, der noch das Kriegsende miterlebte. Bevor die Weichen von Vaters Werdegang irgendwie fest gemeißelt schienen: Karriere, Frau und Familie. „Wie es sich gehört“, raunt das Familienoberhaupt später auf seinem Geburtstag.

Nicht so für „Lenzi“, wie ihn seine Freunde nennen. Der 30-Jährige verkörpert den klassischen Kreuzberger Slacker: ausdauerndes Schlendern durch die Straßen und eine Absage an Berufspläne. Stattdessen: wenig Verantwortung, dafür großzügiger Drogenkonsum und Besuch von Partys. Auf einer lernt er Ira (Lana Cooper) kennen. Und wie diese Begegnung das Leben innerhalb eines Jahres das Leben dieser beiden auf den Kopf stellt, davon erzählt dieser Film mit dem herrlich bescheidenen Titel „Liebesfilm“.

Regie führte ein Liebespaar: Emma Rosa Simon und Robert Bohrer. Beide schrieben auch gemeinsam das Drehbuch, bevor sie den Streifen als Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin vorlegten. Robert Bohrer erschien im Anschluss an der Vorstellung im Dortmunder Programmkino sweetSixteen für ein Publikumsgespräch. Seine Freundin und Ko-Regisseurin war spontan verhindert. Und wer den Filmemacher an diesem Abend ausfragt, wie sehr sie mit ihrem Abschlusswerk auch eine Darstellung der so oft diagnostizierten „Generation Y“ beabsichtigt haben, erhält erst mal eine ernüchternde Antwort: „Ein Generationsporträt sollte es nicht sein“, erzählt Robert Bohrer. „Es standen eher die persönlichen Erfahrungen im Vordergrund, es hat autobiographische Elemente.“ Bohrer erwähnt Dennis Hoppers „Easy Rider“, ein Road-Movie, der erst später als Leinwand-Manifest über den Freiheitsdurst der 68er interpretiert wurde: „Die wollten ja auch nicht direkt etwas über ihre Generation sagen.“

Freiheit und Freiräume will auch der erwähnte Lenz ausleben. Mit Ira hat er nur Sex, wie er meint. Doch die IT-Expertin möchte mehr. Sie will ein Kind bekommen, die nächste Etappe im Leben beginnen. Und zwar mit dem Tagträumer „Lenzi“. Doch der zeigt sich nicht so begeistert davon, sich von der K-Frage aus seinem bisherigen Kreuzberger Lebenszyklus reißen zu lassen: „Da kann man ja gleich nach Ost-Deutschland ziehen, außerhalb des S-Bahn-Rings.“

Und die harte Realität da draußen? Sie dringt nur tagträumerisch in diesen Schwebezustand ein. Das erste Kapitel trägt den Titel: „Wer erschoss Osama Bin Laden oder der lange Sommer der Liebe.“ Denn die Ereignisse aus diesem Jahr dringen nur in surrealen Schüben in Lenzis Alltag ein: Taliban-Kommandanten stehen plötzlich in der WG und die Concordia liegt mit Breitseite in der Spree, während sich die beiden Liebenden im Laufe des Jahres 2011 annähern, entfernen und wieder annähern. Immer präsent ist dabei die Berliner Kulisse: Emma Rosa Simon und Robert Bohrer inszenierten auch einen Liebesfilm über die Hauptstadt. Wie einst Woody Allen in „Manhattan“ huldigen sie dem Flanieren durch belebte Straßen, Verabredungen in Museen oder Bootfahren in Parks. Ein Film über einen Zeitgeist, als Kreuzberger Mieten noch finanzierbar waren. „So wie Lenz da lebt, ist das heute nicht mehr möglich“, sagt Bohrer. „Das ist ja fast schon melancholisch.“ Damit meint der Regisseur auch den Wandel der Drehorte. Denn diese sind grauen Hochhauskomplexen gewichen. Und dort wird sich kaum wer so schön verlieben.

Benjamin Trilling

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