Schon die kleinen Wörtlein „nach Molière“ unter dem Titel lassen hoffen. Philipp Preuss inszeniert „Der Geizige“ am Moerser Schlosstheater nicht aus dem Reclamheft. Preuss inszeniert Molière eigentlich gar nicht, er zelebriert stattdessen die Probe des Klassikers, liefert Regietheater als Transformation auf die Rede des Schriftstellers Daniel Kehlmann, die jener 2009 zum Auftakt der Salzburger Festspiele gehalten hat. Dafür werden brachial alle Schauspiel-Klischees bedient.
Im Theater trifft sich also zur ersten Konzeptionsprobe. Regisseur Frank Wickermann (auch Harpagon), ganz der abgedrehte Theatermann zwischen Wahn und Selbstüberschätzung, scheint das Ensemble nicht zu kennen. Also erst einmal Vorstellung mit Namen und vorgesehener Rolle. So ganz scheinen die vier Protagonisten für Molière dem inszenierenden Braten nicht zu trauen, man ist vorsichtig, ein wenig devot, ganz so wie es am Theater wohl üblich ist. Nun erklärt Wickermann sein wirres System. Fett soll es werden, richtig fett, also nicht so ein Scheiß wie sonst eher fett. Kaffee, Zigarette, wirrer Blick. Das Bühnenbild wird abgefahren, das Licht knallhart. Kaffe, Zigarette, wirrer Blick ins Skript. Dann knallt der selbst ernannte Regiegott 5.000 Euro auf den Tisch. Echtes Geld. Damit soll beim Spiel so richtig Realität geschaffen – und die Pizza bezahlt werden. Lang - sam dämmert im Proberaum Molières „Der Geizige“ auf. Leseprobe angeschlossen. Kleines Szenenstudium. Dunkel. Licht an. Dunkel. Licht an. Zwis - chen Matthias Heße (eigentlich Cléanthe) und Katja Stockhausen (eigentlich Marianne und Frosine) scheint sich was anzubahnen, immer dann wenn das Licht ausgeht. Das scheint bei der Probe so, passt aber auch bei Molière, also Absicht. Oder Zufall? Echt fett. Immer noch liegt der Haufen Kohle da rum. Denn eigentlich geht es um die zersetzende Kraft des Geldes. In der Inszenierung, in der aktuellen Spielzeit am Theater Moers und in der Gesellschaft. Die endlose Macht der Kleptokratie nennt das der Philosoph Peter Sloterdijk in seinem Essay „Die Revolution der gebenden Hand". Der Staat hat Angst um seinen Schatz, der eigentlich keiner mehr ist, Molières Harpagon stirbt vor Angst, jemand könnte seinen Schatz finden, die 5.000 Euro Produktionsgeld sind plötzlich auch weg. Der Regisseur heute reagiert wie der Reiche im Barock. Alle sind verdächtig. Einer muss der Täter sein.
Patrick Dollars (auch Valère und Jacques) wird vom Regisseur verdächtigt und rausgeschmissen. Langsam vermischen sich Realität und Probe, aber auch Schauspiel und die Farce, die dazu dient, Kehlmann etwas entgegen zu setzen – oder auch nicht – und wenn es nur der Kristalllüster ist, den dieser als Vierjähriger auf der Bühne sah. Bocksgesang folgt Lottmann folgt Kehlmann, alles im Rahmen, statt echter Pizza gab es aber immerhin eine Menge Theaterblut und viel Vergnügen am hemmungslosen Spiel der Schauspieler. Auch Marieke Kregel (als Elise) soll nicht vergessen werden, die sich vehement der Kehlmannschen Lichtprobe annahm und das „ohne Mitgift“. Ein Ausruf der mehrfach an der Rampe ins Publikum gerufen werden musste. Fett eben und so bedeutsam bei Molières Harpagon, für den das Geld bekanntlich alles war. Perücke, Kaffee, Zigarette und schon ist wieder alles im Lot im Probenraum. Die Paare finden sich bei Molière durch den Geldkassettentrick, in Moers hinter der Videoleinwand zum Schattenkopulieren mit Wasserflasche. Auch das ein „schlimmer“ Verweis auf die Kritiker des Regietheaters. Dann das letzte Dunkel nach knapp zwei Stunden. Vergnügter Beifall. Kaffee und ein Zigarillo. Echt fett der Abend.
„Der Geizige“ von Molière
R: Philipp Preuss
Schlosstheater Moers
Sa 7.5., Do 12.5., Di 17.5. je 19.30 Uhr
02841 883 41 10
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