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soom Künstlerkollektiv
Foto: Michelle Ettlin

Scheitern des Verschwindens

27. Oktober 2016

Festival „638 Kilo Tanz“ in Essen – das Besondere 11/16

Der Zustand ist bekannt. Das Leben ist taktlos geworden. Dazu sind wir alle täglich einer Flut von Schreckensbildern in den Medien ausgesetzt. Krieg, Folter, Vergewaltigung und Mord, dazwischen endlose Kochsendungen, Stunden an Ballsportberieselung oder auch Millionen Tierbabyfotos im Internet. Und Google und Facebook rauben unseren Enkeln die Zukunft. Hat dieser mediale Overkill uns in eine Art chronische Überforderung katapultiert, dem man nur noch mit emotionaler Abstumpfung begegnen kann, um standhalten zu können? Das koreanisch-schweizerische Performanceduo „soom“ (atmen) macht daraus in der Essener Casa ein multimediales Vexierspiel der leisen Zwischentöne.

Das Festival „638 Kilo Tanz“ mit den Schwerpunkten „junger Tanz ausNRW“ und Förderung des choreografischen Nachwuchses startet dort in die zehnte Runde. Wie immer in den längeren Pausen mit der Möglichkeit des Austausches zwischen KünstlerInnen und Publikum. An den ersten beiden Tagen aktuelle Positionen junger Künstler mit abendfüllenden Produktionen, an den folgenden Tagen wird dann der öffentliche Raum zur Bühne, dort verwandeln Performances, Sound- und Videoinstallationen die nicht-theatralen Orte in eine fast surreale Landschaft. Doch erst geht es noch umVerstecken, Verbergen, Verfremden. Bei Özlem Alkis formen Körper und Material sich gegenseitig, gestalten Umwelten und ihre Handlungsspektren,und werden doch gleichzeitig auch von diesen bestimmt. Ihre Choreografie „Camouflage“ generiert Informationsströme und Formen, die sich dem Sichtbaren entziehen. Gemeinsam mit drei PerformerInnen und weiteren Körpern entwirft Özlem Alkis, die in Istanbul geboren wurde und in Köln lebt, ein Szenario, in dem das Verschwinden zwanghaft immer wieder zum Vorschein kommt. Ähnlich ist die Performance „Leviah“. Sie erzählt von Frauen im Militär. Reut Shemesh diente zwei Jahre in der israelischen Armee. Gemeinsam mit der Tänzerin Hella Immler verarbeitet die Choreografin und Tänzerin ihre Erinnerungen und zeigt wie brüchig das Selbst in Krisensituation werden kann. 

„638 Kilo Tanz“ Festival | 10.-13.11. | Theater Essen | www.tanzgebiet.de

PETER ORTMANN

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