Mitten hinein in das laufende internationale Festival of Arts, auch bekannt als RuhrTriennale, gehen auch die Ruhrgebietsbühnen an den Start in die neue Spielzeit. Was bleibt ihnen auch übrig. Konkurrenz belebt ja eigentlich das Geschäft, fragt sich nur wessen.
In Dortmund bringt das Schauspiel das preisgekrönte neue Stück des Nachwuchsdramatikers Wolfram Lotz auf die große Bühne. „Einige Nachrichten an das All“ ist so ungewöhnlich, wie es der Titel vermuten lässt: Der kleinwüchsige Paul Schweitzke und sein gehbehinderter Freund Lum nehmen es in einer Fernsehshow mit dem Schicksal auf. Sie wünschen sich ein gemeinsames Kind. Der „Leiter des Fortgangs“ dagegen bedient eine Maschine, die gesprochene Worte in Funkwellen verwandelt. Auf Knopfdruck sendet eine Satellitenschüssel die Botschaften ins All – „damit man dort erfährt, was uns Menschen bewegt“. Zu Wort kommen da der 19.-Jahrhundert-Botaniker Rafinesque, der CDU-Politiker Ronald Pofalla und der Autor Heinrich von Kleist, aber auch die dicke Frau, die zu Gast war in einer populären Talkshow. Während Paul und Lum mit trotzigem Mut ihr Schicksal erwarten, ringen die Gäste um die richtige Nachricht ans All. Gibt es irgendetwas in diesem Leben, von dem es sich zu berichten lohnt?
Auch Oberhausen ist ziemlich aktuell mit der Deutschen Erstaufführung von „Der Sparkommissar“, einer Komödie nach Nikolai Gogols „Der Revisor“. Peter Carp sah Anfang 2012 in Dublin eine Adaption des Stückes, die der Schriftsteller Roddy Doyle unter dem Titel „The Government Inspector“ für das Abbey Theatre geschrieben hatte, auch besonders für das durch die Finanzkrise geschüttelte irische Publikum. Die Parallelen zur finanziellen Krisenlage Oberhausens sind nicht zu übersehen. Und so kommt es, dass Gogols Satire – 1836 geschrieben und damit älter als Oberhausen, das 2012 sein 150jähriges Bestehen feiert – auch heute noch ein verblüffend aktueller Kommentar zur Schuldenkrise Irlands oder Oberhausens ist.
Am Schauspielhaus Bochum startet man mit einem blutigen Shakespeare: „König Richard der Dritte“. Der will König werden und geht buchstäblich über Leichen. Regisseur Roger Vontobel zeigt anhand der Zwistigkeiten zwischen den Häusern Lancaster und York, warum Richard so ist, wie er ist. Dafür nimmt er nicht nur das berühmte Drama von Shakespeare als Grundlage, sondern auch Teile aus dessen weniger bekanntem Dramenzyklus „Heinrich VI.“. Deshalb gibt es in Bochum mal die ganze Geschichte und nicht nur deren dramatisches Ende zu sehen.
Bei der Triennale hat der samoanische Performancekünstler und Choreograf Lemi Ponifasio seine Premiere in der Duisburger Kraftzentrale. Er trifft mit seiner ersten Musiktheaterarbeit auf Carl Orffs wuchtig-dynamische Adaption des Prometheus von Aischylos. Ein großes Ensemble von Sängern, Schauspielern, Tänzern, Choristinnen, Musikern und Laiendarstellern zelebriert die Tragödie des gefesselten und gegen die Götter aufbegehrenden Prometheus. Ist das etwa auch eine Metapher für die Ruhrgebietsbühnen?
„Einige Nachrichten an das All“ I Fr 14.9. (P) 19.30 Uhr I Theater Dortmund I 0231 5 02 72 22
„Der Sparkommissar“ I Fr 21.9. (P) 19.30 Uhr I Theater Oberhausen I 0208 8 57 81 84
„König Richard der Dritte“ I Sa 22.9. (P) 19 Uhr I Schauspielhaus Bochum I 0234 33 33 55 55
„Prometheus“ I So 16.9. (P) 20 Uhr I Kraftzentrale Duisburg I 0201 8 87 20 24
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