Geheimcodes, geheimnisvolle Flüssigkeiten, magische Metalle. Als Chemie noch ein Fremdwort war, kämpften Halbwissende und Scharlatane gemeinsam um den Stein der Weisen. Sie kämpften mit Materie, giftigen Stoffen um die Wette und hatten dabei meist auch des Henkers metallisches Beil im Nacken. So entwickelte sich eine Kunst der Verblendung und des Scheins. Eine Kunst, die bis heute zu großer Perfektion entwickelt wurde, mehr Schein als Sein, ein geflügeltes Wort, und doch scheint es schon im alten Ägypten bekannt gewesen zu sein. Zwei ägyptische Papyrus-Fragmente aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. zeigen im Düsseldorfer Museum Kunstpalast, wie man aus Silber Gold machen kann, zumindest an der Oberfläche. Gut 350 weitere Werke belegen die Verästelung zwischen Kunst und Alchemie und zeigen das Geheimnis der Verwandlung bis in die Jetztzeit. Am Anfang stand sicher die Gier, aber auch der Beginn regulärer Wissenschaft, die zwar mit „learning by doing“ arbeitete, aber auch schon früh (Zosimos aus Panopolis, um 300 v. Chr.) eine intellektuelle Auseinandersetzung mit der Stofflichkeit suchte. Dafür benutzte sie oft eine geheime Sprache, als Schutz des eigenen Wissens, aber auch gegen den Vorwurf der Zauberei, wie ein eiserner Hexenstuhl aus dem Jahr 1575 zeigt, auf dem angeblich eine Alchemistin verbrannt sein soll, was natürlich in dem Jahrhundert doppelt verwerflich war.
Der erste Teil der wunderbaren Wunderkammer-Ausstellung zeigt die Anfänge und die stete Entwicklung der Geheimwissenschaft, zeigt ihren Einfluss auf die Kunst der Jahrhunderte, in denen viele Künstler sich gern im Umfeld der Materie-Magier sonnten (Luca Giordano, Selbstportrait als Alchemist, um 1660) oder die Gefahren, die mit dem Umgang verbunden waren aufzeigten (Hendrick Heerschop, Die alchemistische Apparatur explodiert, 1687). Mittendrin, zwischen einem nachgebauten Laboratorium hinter Glas und einer Menge handverlesener Schriften und Buchschätzen, verwirrt John Isaacs‘ „Thinking about it“, von 2002, eine Schädel-Plastik aus der ein kleines Bäumchen wächst. Nebenan gleich ein lecker gemaltes Ölkleinod von Robert A. Müller (Lebensdaten unbekannt), der Mitte des 19. Jahrhunderts die explosive Entdeckung des Sprengpulvers durch Berthold Schwarz malte, aber auch ein echter Rembrandt (Sogenannter Faust, Radierung um 1652) und Dürers beliebter Schulbuch-Melencolia-Kupferstich von 1514 mit den Möglichkeiten einer Endlosinterpretation.
Im zweiten Teil der Ausstellung steht die Hexenküche der Moderne. Die Surrealisten entdeckten die alte Wissenschaft früh für sich. Max Ernst malte nach seinem Umzug nach Paris 1923 „Les hommes n’en sauront rien“ (Hiervon werden die Menschen nichts wissen), widmete das Werk André Breton und schrieb seine symbolisch-alchemistischen Bestandteile auf die Rückseite. Nach dem Urstoff (materia prima) suchte auch Yves Klein mit seinen monochromen Arbeiten, Anish Kapoor mit Haufen voller Farbpigmenten oder Joseph Beuys, dem in Düsseldorf ein ganzer Raum gewidmet wird.
„Kunst und Alchemie – Das Geheimnis der Verwandlung“ | bis 10.8. | Museum Kunstpalast Düsseldorf | 0211 56 64 21 00
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