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Das Schauspielhaus Bochum mit einer Uraufführung im März
Foto: Presse

Outlaws auf der Bühne

29. Januar 2011

Theater in Essen, Bochum und Oberhausen reflektieren Realität - Theater demnächst 02/11

Außenseiter haben immer ein schwieriges Leben. Die Gesellschaft schiebt sie an den Rand, grenzt sich von ihnen ab, weil sie anders sind, nonkonform, latent gefährlich für Ordnung, Besitzstand und Ideologie. Das ist in der Jugendkultur schon einmal kultiviert worden, als die Hippies zu Werbeträgern ganzer Branchen konvertiert wurden. Selbst der Punk konnte am Ende assimiliert werden. Zuletzt geschah das wohl mit Breakdance, Rap, DJing und Graffiti, kein Wunder, dass sich dieses Lebensgefühl, das einst bei illegalen Straßenparties in New York begann, heute an den Theatern der Welt wiederfindet, obwohl sich die Sprüher noch eine kleine Existenz jenseits der Legalität erhalten haben. Auch in der ehemaligen Kulturhauptstadt Essen sind Spuren im öffentlichen Raum zu entdecken. Jetzt hat das Stadttheater sie entdeckt. Schauspieler, Tänzer, Rapper und Sprayer untersuchen in dem Hip Hop-Projekt „Critical Mess” das interessante Spannungsfeld zwischen Bürgerlichkeit und Protest. Gemeinsam mit den Initiatoren Samir Akika, Anna K. Becker und Sebastian Zarzutzki begeben sich auf die Suche nach ganz persönlichen Geschichten, die im März etwas vom Hip Hop und dem dazugehörigen Lebensgefühl der Straße, damals wie heute, erzählen können.

Fremde und Außenseiter am Rande der Gesellschaft sind auch José und Carmen in Georges Bizets berühmter, 1875 entstandenen Oper „Carmen“. Am Theater Oberhausen hat der musikalische Leiter Otto Beatus Bizets Melodien in eine neue musikalische Sprache übertragen und arrangiert sie als Songs für ein kleines Ensemble. Auch die vertraute Geschichte um die tödlich endende Liebe Don Josés zu der Femme Fatale Carmen wird zum einen zwar so erzählt, wie man sie kennt, doch zum anderen neu interpretiert: Wie in Prosper Mérimées Novelle, die der Oper zugrunde liegt, schlägt sich die Zigeunerin Carmen als Gelegenheitsprostituierte und Beischlafdiebin durch. José, der nicht in seine Heimat zurückkehren kann, da er dort im Zorn einen Mann getötet hat, verdingt sich als Hilfspolizist. Regisseur Joan Anton Rechi verlegt Carmen im März in einen vom Bühnenbildner Alfons Flores kreierten düsteren Kosmos schäbiger Spelunken, billiger Absteigen und bizarrer Variétés.

Noch zeitgenössischer geht es am Bochumer Theater zu. Hier wird in Dirk Lauckes neuem Stück ein Mensch namens Jochen Bowatski, der sich von allen gerne Jimi nennen lässt, weil alle Großen Jimi hießen, wie Hendrix, Dean und Morrison, aus dem Arbeitsleben in die gesellschaftliche Peripherie gedrängt, weil die Autozuliefer-Fabrik, in der er seit zwanzig Jahren arbeitet, nach Indien verfrachtet wird. Gemeinsam mit Kumpel Markus, dessen Ex mit seiner Tochter flugs dem Radius seiner ALG II-technischen Residenzpflicht entfliehen will, marschiert er ins Werk, um dem Chef die Rechnung zu präsentieren. Dort erwischen sie Markus‘ Ex mit dem schicken Luc (Lutz) im Bett, der Werksleiter wird tot aufgefunden. Im Chaos übernimmt Jimi Bowatski die Kontrolle, schickt die Inder nach Hause, das Werk wird besetzt, Outlaw Jimi ist ein Naturtalent an den Schalthebeln der Macht, die Aktion zur Sicherung deutscher Arbeitsplätze wird als Modellprojekt gepriesen.

Das sind in naher Zukunft drei Stücke im Ruhrgebiet, die gemeinsam Realität reflektieren.

„Critical Mess“: Uraufführung im Grillo-Theater Essen I 26.3. 19.30 Uhr

„Carmen“: Premiere in Oberhausen I 18.3., 17 Uhr

„Jim Bowatski hat kein Schamgefühl“: Uraufführung in den Bochumer Kammerspielen I 25.3., 19.30 Uhr

PETER ORTMANN

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