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Ungleiches Paar: Sally (Mira Fajfer) und Holden (Anatol Käbisch).
Foto: Presse

„Wenn man jemanden trifft, der durch den Roggen geht“

21. November 2012

„Der Fänger im Roggen“ im Theater der Gezeiten - Theater Ruhr 11/12

Eine dreitägige Odyssee durch New York, mitten drin die Zuschauer, die um die Bühne herum sitzen. Hier sucht der 16-jährige Holden nach Perspektiven. Gerade ist er aus dem Sanatorium abgehauen, wo er sich in psychiatrischer Behandlung befindet, Holden verabscheut die ihn umgebende Erwachsenenwelt, die er für verlogen oder affektiert hält. Benno Boudghoust inszeniert im Bochumer Theater der Gezeiten „Der Fänger im Roggen“ , einen Roman von J.D. Salinger, der 1951 erschien und die damalige amerikanische Gesellschaft anhand dreier gelebter Tage kritisierte. Der Druck der Gesellschaft bringt auch heute noch junge Menschen zum Verzweifeln. Das Thema bleibt also aktuell. Auch vor sechs Jahrzehnten schaffte es nur die Musik die Gemüter kurzfristig zu beruhigen.

Erwachsenwerden in New York Anfang der 1950er Jahre. Alles normal. Der junge Holden Caulfield ist mies drauf. Er stänkert über alles und jeden. Nur seine kleine Schwester Phoebe, seinen verstorbenen Bruder Allie und die Mitschülerin Sally will er beschützen, vor einem Absturz von der Klippe am Ende des Roggenfeldes, in erster Linie aber vor der Gesellschaft der verlogenen Erwachsenen. Dabei hat er selbst Angst vor der Zukunft und vor dem, was er selbst einmal werden könnte. Auch die Gegenwart versteht er einfach nicht. Ihn quälen endlose Fragen. Zum Beispiel wo die Enten aus dem Teich im Central Park bleiben, wenn es Winter wird? Alles nur Probleme, die immer gültig sind. Boudghoust inszeniert die universale Geschichte, die sich in jeder Generation wiederholt fragmentarisch in einem Bühnenbild, das nur spärlich ausgestattet ist, damit die Zuschauer sich ganz auf das Geschehen konzentrieren können. Als Roggenfeld hängen einfache Bambusstäbe von der Decke und hinter einem transparenten Vorhang tanzt Phoebe (Ballet-Schülerin Anne-Hélène Kotoujansky) sachte, im Stil der 1950er Jahre. Die Schauspielschüler Anatol Käbisch (Holden) und Mira Fajfer (Sally) sind zwar ein ungleiches Paar, aber einmal werden sie doch zu unsicheren Verliebten. Käbisch schafft es, die innere Zerrissenheit der Figur Holden zu zeigen. Er zieht die Zuschauer mit langen Monologen in den Bann.

Das Stück ist etwas kurz geraten, konzentriert sich nur auf die Angst vor dem Erwachsenwerden. Die eigentliche Handlung bleibt für den Zuschauer, der Salinger nicht kennt, ziemlich offen. Der Mix aus Musik und Theater ist elegant und lässt Zeit, über das Gesagte nachzudenken, die Tanzeinlagen sind stilvoll und aussagekräftig choreografiert. Die Kostüme, wie die Highschooljacke von Holden, sind zwar klischeehaft, aber so waren und sind sie nun einmal bei Jugendlichen, zu welcher Zeit und an welchem Ort auch immer.

"Der Fänger im Roggen" | Theater der Gezeiten | Antoniusstraße 8 | 44789 Bochum | Nächste Vorstellung: Anfang 2013

Lena Schimmelpfennig

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