Old Shatterhand gab es wirklich. Jedenfalls in der Traumwelt des Karl May. Dessen Leben könnte Stoff für eine 200teilige Seifenoper liefern, im Bochumer Prinz Regent Theater wurde daraus eine Video-Mensch-Collage, die surreal das Leben des Volksschriftstellers belichtete. „Der Mann der nicht da war“ ist ein Wandelbild aus fernen Zonen in sechs Teilen von Axel von Ernst, Untertitel „Das Karl May Problem“. Probleme hatte der Mensch, der Old Shatterhand sein wollte, der abertausend Jugendlichen Phantasie einimpfte und doch irgendwie am Leben und an der Schriftstellerei scheiterte. Schon als Junge auf Leistung getrimmt versagte er erst im Schulsystem, dann in der Gesellschaft. Der edle Held ging vier Jahre ins Zuchthaus und mit 32 erst einmal zu seinen Eltern zurück. Erst nach Hungerjahren als Redakteur und freier Schriftsteller gelingt ihm mit seinen Reiseerzählungen der Durchbruch. Doch schon zu Lebzeiten wurde er verhöhnt, seine Arbeit polarisiert.
Viele Fäden sind es also, die die Videokünstler von „Impulskontrolle“ da live verweben müssen. Dabei geraten die Dramaturgie der Handlung und der Szenen- und Kostümwechsel der beiden Schauspieler (Nora Marie Horstkotte und Tobias Novo) nie außer Kontrolle. Das Leben der selbsternannten Schmetterhand ist spannend und psychotisch. May verwechselt konsequent Realität und Fiktion, auf seiner Orientreise soll er zwei Nervenzusammenbrüche gehabt haben, als beide Zustände quasi die Positionen tauschten. Bei der Uraufführung im Prinz Regent wechselten Licht und Bilder in ähnlicher Weise. Immer wieder versucht die gequälte Seele, den Ruhm zu greifen, immer wieder greifen die Geister der Vergangenheit und der Zukunft nach dem Schriftsteller, der sich immer weiter in seiner Villa Shatterhand einigelt, während hinter ihm die Videoschnipsel seines Leben tanzen.
Licht in der Finsternis
„Brems:::Kraft“ in Köln und Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 01/25
Brautkleid aus reinster Haut
„Subcutis“ in Mülheim a. d. Ruhr und Köln – Theater Ruhr 01/24
Trance durch Kunst
Die Reihe Rausch 2 in Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 11/23
Brecht im Discounter
„Der gute Mensch von Sezuan“ am Grillo-Theater in Essen – Theater Ruhr 10/23
Bretter der Kulturindustrie
„Das Kapital: Das Musical“ im Schauspiel Dortmund – Theater Ruhr 10/23
Siehst du, das ist das Leben
„Der erste fiese Typ“ in Bochum – Theater Ruhr 06/23
Der gefährliche Riss in der Psyche
„Die tonight, live forever oder das Prinzip Nosferatu“ am Theater Dortmund – Theater Ruhr 04/22
Unberührbare Souveränität
Frank Wedekinds „Lulu“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 03/20
Totenmesse fürs Malochertum
„After Work“ in den Bochumer Kammerspielen – Theater Ruhr 02/20
Gespenstisches Raunen
Die Performance „Geister“ am Schauspielhaus Bochum – Theater Ruhr 02/20
Drei wilde C´s im Schnee
„After Midnight“ im Essener Grillo – Theater Ruhr 02/20
Von Büchern überschüttet
„Sokrates der Überlebende / Wie die Blätter“ in Mülheim – Theater Ruhr 02/20
Tragödie mit Diskokugel
Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“ in Oberhausen – Theater Ruhr 01/20
Ein hochemotionaler Spiegel
Khaled Hasseinis „Drachenläufer“ in Castrop-Rauxel – Theater Ruhr 01/20
Donna Quichotta der Best Ager
„Linda“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 01/20
Spiegelei, Toast und Tier
„Das Reich der Tiere“ am Theater Dortmund – Theater Ruhr 12/19
Heute geht es auch ohne Brandbeschleuniger
„Biedermann und die Brandstifter“ in Essen – Theater Ruhr 11/19
Desinfiziert und doch tot
„Die Pest“ in Moers – Theater Ruhr 11/19
Wenn Datenberge erodiert sind
„Identität“ in Dortmund – Theater Ruhr 11/19
Biografisches Sightseeing
Babett Grube inszeniert „Alles ist wahr“ in Oberhausen – Theater Ruhr 11/19
Amouröse Programmierung
„Ein Sommernachtstraum“ am Theater Oberhausen – Theater Ruhr 07/19
Mit Drogen locker durchs Leben
Huxleys „Schöne neue Welt“ in Bochum – Theater Ruhr 07/19
Aufm Arbeitsamt wird gesabbert
„Willems wilde Welt“ von theater glassbooth – Theater Ruhr 07/19
Morden als Maloche
Harold Pinters „Der Stumme Diener“ in Essen – Theater Ruhr 06/19
Schaut wie die Kirschbäume fallen
„Der Kirschgarten“ in Essen – Theater Ruhr 06/19