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Die surreale Bergbaustadt
Foto: Birgit Hupfeld

Zerfall in Kohlestaub

30. Juni 2011

„Das Bergwerk“ als Revue in Essen - Theater Ruhr 07/11

Der Zirkus ist da in der Bergbaustadt Wałbrzych, auch die Stadt wird zum Rummelplatz, denn die einzige Zeche wurde geschlossen, Arbeitslosigkeit, fehlendes Orientierungsvermögen und Suff sind die Folge. Am Essener Theater inszeniert Tilman Gersch „Das Bergwerk“ von Michal Walczak, einem der bekanntesten jüngeren Dramatiker Polens, als Deutsche Erstaufführung. Da können herrliche Parallelen mit dem Ruhrgebiet gezogen werden, da wie hier ist das Leben ein Jahrmarkt, ist die Autoindustrie der letzte Großarbeitgeber. Die alte Zeit geistert immer noch durch die Köpfe der Dagebliebenen, das ist heute in Polen nicht anders.

Das Stück, bereits 2004 im Theater Wałbrzych uraufgeführt, war eine Auftragsproduktion, zugeschnitten auf die ökonomische Situation der Region. Gersch macht daraus ein surreales Gemälde, in dem die Königin im Autoscooter durchs demokratische Polen reist, wo der noch lebende Bergarbeiter mit Tomatensoße zum Abendbrot serviert wird und der Lyriker, der nie die Wahrheit sagte, in ein Hündchen verwandelt wird. Die Bilder sind bunt und revuehaft, verstärkt durch chorische, schwermütige Gesangseinlagen. Ein Komödiantenstadel für Schauspieler und Henrike Engel konnte bei Bühne und Kostüm aus dem Vollen schöpfen. Das hat sie auch, wie die spielfreudigen Mimen.

Das alles macht die Vorstellung zwar sehenswert, die inhaltliche Substanz blieb ansonsten eher dürftig. Alles kreist auf der Drehbühne um Adzio, der die Tage zwischen Vater und Mutter vertrödelt und die Geschichte erzählt. Sein Großvater geistert durch die Nächte, hält den Mythos Bergwerk aufrecht und wird am Schluss der große Held, wenn er vom Tod in die heiligen Abraumhalden geführt wird und ein stattliches Sümmchen für die Zukunft hinterlässt. Der Bursche kriegt das Mädel. Die Königin ist da bereits ins von ihr boshaft geschlossene Bergwerk gesperrt. Das ist zwar rund, aber auch ziemlich banal, Claire Zachanassian im „Besuch der alten Dame“ war da immerhin konsequenter. Die ganze Zeit warten die Protagonisten auf Hilfe von Außen, verlottern, resignieren. Und dann rettet sie so ein ererbter Lotteriegewinn? Man weiß nicht wie sich die Bergarbeiter ohne Opa da in Wałbrzych gefühlt haben. Vielleicht wie das Hündchen?

„Das Bergwerk“ von Michael Walczak I R: Tilman Gersch I Theater Essen (Grillo) I Fr 1.7., Do 14.7. je 19.30 Uhr I 0201 812 22 00

PETER ORTMANN

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