Nach 500 Jahren, seit damals der britische Lordkanzler Thomas Morus seine Fiktion „De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia“ (Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia) unter die Landleute streute, ist es längst vorbei mit den Utopien im Hier und Jetzt, denn schon beim alten Morus lag Utopia irgendwo im Nirgendwo. Die 40. Duisburger Akzente suchen dennoch Gehalt in neuen Utopien. Vielleicht füllen sich die kulturellen Hörner ja wieder und aus dem Nebel taucht so etwas wie „die unsterblichen Landen westlich des Meeres“ auf. Eröffnet wird das Kulturfestival mit „Romeo und Julia“ vom Duisburger Schauspieljugendclub Spieltrieb; mehr als 100 Theater-Aufführungen, Lesungen und Performances werden folgen.
Das Schauspiel Hannover zum Beispiel zeigt auf der großen Bühne des Theaters „Macht und Widerstand“ von Ilija Trojanow, ein bulgarisches Stück um Schuld und Sühne und um die Biografien des Anarchisten Konstantin und seines Folterers Metodi, dem „Michelangelo des Verhörs“. Neben dem traditionellen Theatertreffen mit Gastspielen aus dem deutschsprachigen Raum liegt der Schwerpunkt in diesem Jahr allerdings auf dem Figurentheater. Und hier hat man einen der richtigen Superstars der Szene eingekauft, der im Ruhrgebiet seit der ersten RuhrTriennale auch kein Unbekannter mehr ist.
Der australische Puppenspieler Neville Tranter spielt „Mathilde – Szenen aus dem Altersheim“. Die ist gerade 102 Jahre alt geworden, hängt strubbelig an einer Garderobenstange und macht Turn-Übungen. Unterkriegen lassen darf sie sich nicht, denn sie wartet auf ein letztes Zeichen. Ums Leben geht es auch bei Javier Aranda und seinen Puppen in „Vida“, aber auch in „Der Krieg mit den Molchen“, dessen Thema Karel Čapeks satirischer Science-Fiction-Roman aus dem Jahre 1936 ist. Tanz, Performances und bildende Kunst in der cubus kunsthalle, die auch wieder Festivalzentrum wird, runden die Akzente 2019 ab und machen die Stadt temporär an allen Ecken und Enden zu einem „Duisneyland“, das nur anhand eines handgezeichneten Lageplans erschlossen werden kann. Orientierung ist eben alles, auch in der Utopie.
40. Duisburger Akzente | 16.3. - 7.4. | 0203 28 36 21 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Über die Familie
45. Duisburger Akzente – Festival 03/24
„Man muss sich über alte Zöpfe Gedanken machen“
Clemens Richert zur 44. Auflage der Duisburger Akzente – Festival 03/23
Betonung auf Wunder
44. Duisburger Akzente – Prolog 02/23
Weg vom patriarchalen Muff
Véronique Olmi über „Die Ungeduldigen“ – Festival 03/22
Alte und neue Grenzen
43. Duisburger Akzente – Festival 03/22
Dopamin für alle
Die 41. Duisburger Akzente – Bühne 03/20
Weihnachten im Panzer
Lesung „Aurora“ von Sascha Reh am 1.4. bei den Duisburger Akzenten – Literatur 04/19
Kriegskuchen im Atombunker
Die 39. Duisburger Akzente – Bühne 03/18
Schlachten werden nie gewonnen
Die 39. Duisburger Akzente unter dem Motto „Nie wieder Krieg?“ – Prolog 03/18
Literarische Lebensbilanz am Hafen
Poetische Werkstatt Ruhrort setzt mit Lenz-Lesung Akzente – Literatur 03/16
Stimme gegen das Patriarchat
„Tabak“ am Essener Grillo-Theater – Prolog 11/24
Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
„Ich glaube, Menschen sind alle Schwindelnde“
Regisseurin Shari Asha Crosson über „Schwindel“ am Theater Dortmund – Premiere 11/24
Mentale Grenzen überwinden
„Questions“ am Münsteraner Theater im Pumpenhaus – Prolog 10/24
Bollwerk für die Fantasie
Weihnachtstheater zwischen Rhein und Wupper – Prolog 10/24
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24
„Hamlet ist eigentlich ein Hoffnungsschimmer“
Regisseurin Selen Kara über „Hamlet/Ophelia“ am Essener Grillo Theater – Premiere 10/24
Das gab es noch nie
Urbanatix im Dezember wieder in Essen – Bühne 10/24
Die Zwänge der Familie
„Antigone“ in Duisburg – Prolog 09/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24
Jenseits von Stereotypen
„We Love 2 Raqs“ in Dortmund – Tanz an der Ruhr 09/24
Wüste des Vergessens
„Utopia“ am Theater Oberhausen – Prolog 09/24