Ein klein bisschen martialisch scheinen sie in diesem Jahr doch zu sein, die 39. Duisburger Akzente. Das ist auch kein Wunder. Das Motto „Nie wieder Krieg?“ macht 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges auch kaum fröhliche Geschichten notwendig. Heute befinden wir uns im dreistelligen Bereich, was die „Weltkriege“ anbelangt, Krieg ist längst ein lukratives Geschäft, auf das auch die christlichsten deutschen Politiker nicht mehr verzichten wollen. Insofern ist das Fragezeichen hinter der pazifistischen Losung selbst ein Programm, das in allen Künsten hinterfragt werden will.
Schon die Antike hat diese Frage in ihrer Theatergeschichte verhandelt. Zugegeben auf einer anderen Ebene, aber doch am selben „blutigen Handwerk“ entlang und so switchen die Themen zwischen den Tragödien „Die Perser“ von Aischylos und Erich Marias Remarques „Im Westen nichts Neues“ hin und her. Selbst der australische Puppenspielerstar Neville Tranter, der in der Liebfrauenkirche zwei Stücke seines Stuffed Puppet Theatre aufführen wird, wird dieser Thematik gerecht. In seinem Stück „Babylon“ warten die Schlepper an einem einsamen Strand in Nordafrika auf letzte Flüchtlinge und wie könnte es anders sein, der Teufel selbst ist auch dabei. Ihn stört nicht so sehr der dunkle Kontinent, er erwartet frische Seelen auf hoher See. Der andere „Böse“ Bin Laden wird dann im zweiten Stück in Afghanistan die Zuschauer auf Tranters ganz eigene Art und Weise unterhalten.
Beim Theatertreffen wütet Shakespeares „Richard III“ vom Thalia Theater in Hamburg und als absolutes Highlight Michael Thalheimers Inszenierung der „Perser“ vom Wiener Burgtheater, angesichts des technischen Aufwands sollte das eigentlich nie auf Reisen gehen. Uns so wird es die einzige Möglichkeit bleiben, diese Version außerhalb von Österreich zu sehen. Viel Blut also auf den Duisburger Bühnen, aber auch viele „Nebenkriegsschauplätze“ wie das Projekt „Hybris“, in dem Fotograf Harald Reusmann militaristische Propaganda aus dem Ersten Weltkrieg mit kommentierten Feldpostkarten untersucht. Musiker und Performance-Künstler Peter Eisold bringt sein Publikum im Duisburger Innenhafen in Bewegung. Beim interaktiven Projekt „Warzone“ werden die mit
Kopfhörern und WhatsApp-Zugängen ausgerüstet und müssen einen Parcours bewältigen, während sie die dramatische Hörcollage „Cyberwar“ mit der brachialen Klangästhetik von Ego-Shootern aus dem Tritt bringen will. Komplett virtuell arbeitet der Video-Künstler Frank Wolf. Er zeigt während des Festivals auf YouTube-Videos, die nach der „Gestalt“ des Krieges in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fragen. So produzieren auch die „Akzente“ neue Bilder vom Krieg, die die militärischen Auseinandersetzungen weltweit schon zur Genüge selbst inszenieren.
Zum Finale der 39. Duisburger Akzente inszeniert das Regie-Duo Jennifer Whigham und Jens Kerbel die szenisch-musikalische Collage „2018. The world dies screaming“. Sie zeigt das Spannungsverhältnis Mensch/Natur und stellt die Frage, ob wir uns nicht schon längst in einem nicht gewinnbaren Krieg um die Umwelt befinden und ob der Mensch wirklich die Krone der Schöpfung ist.
39. Akzente | 3.-18.3. | Theater Duisburg u.a. | www.duisburger-akzente.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Die Zwänge der Familie
„Antigone“ in Duisburg – Prolog 09/24
Über die Familie
45. Duisburger Akzente – Festival 03/24
„Musik ist der tiefsinnigste Ausdruck einer Kultur“
Harry Ogg dirigiert in Duisburg „Die tote Stadt“ – Interview 06/23
„Man muss sich über alte Zöpfe Gedanken machen“
Clemens Richert zur 44. Auflage der Duisburger Akzente – Festival 03/23
Betonung auf Wunder
44. Duisburger Akzente – Prolog 02/23
Der Mythos der Diva
„Adriana Lecouvreur“ in Duisburg – Oper in NRW 01/23
Unstillbare Faszination
„Der fliegende Holländer“ in Duisburg – Oper in NRW 11/22
Weg vom patriarchalen Muff
Véronique Olmi über „Die Ungeduldigen“ – Festival 03/22
Alte und neue Grenzen
43. Duisburger Akzente – Festival 03/22
Dopamin für alle
Die 41. Duisburger Akzente – Bühne 03/20
Weihnachten im Panzer
Lesung „Aurora“ von Sascha Reh am 1.4. bei den Duisburger Akzenten – Literatur 04/19
Zukunft hinterm Realismus
„Utopien“ begleiten die 40. Duisburger Akzente – Prolog 03/19
Stimme gegen das Patriarchat
„Tabak“ am Essener Grillo-Theater – Prolog 11/24
Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
„Ich glaube, Menschen sind alle Schwindelnde“
Regisseurin Shari Asha Crosson über „Schwindel“ am Theater Dortmund – Premiere 11/24
Mentale Grenzen überwinden
„Questions“ am Münsteraner Theater im Pumpenhaus – Prolog 10/24
Bollwerk für die Fantasie
Weihnachtstheater zwischen Rhein und Wupper – Prolog 10/24
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24
„Hamlet ist eigentlich ein Hoffnungsschimmer“
Regisseurin Selen Kara über „Hamlet/Ophelia“ am Essener Grillo Theater – Premiere 10/24
Das gab es noch nie
Urbanatix im Dezember wieder in Essen – Bühne 10/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24