„Sag deinen Bäumen, wie sie dich nerven“, sagt Dr. Wolf, genannt „Wolfi“ zu seiner jungen Patientin Alex. Erst schweigt das schüchterne Mädchen, irgendwann überwindet sie sich doch und schreit sich ihren Frust vom Herzen, hinaus in die kalte Winterluft. Eine absurde Szene, eine witzige – und auf ihre eigene Art eine sehr bewegende.
„4 Könige“, ein Drama um vier Jugendliche, die Weihnachten in der Psychiatrie verbringen müssen, räumte zwar keinen der insgesamt 12 Preise ab, war aber der unangefochtene Sieger der Herzen beim diesjährigen Kinofest Lünen. Ob bei der Jury unseres Berndt-Media-Preises, der Ü16-Schüler-Jury oder überhaupt beim Lüner Publikum: Theresa von Eltz' Spielfilmdebüt sorgte für Begeisterung. Und obgleich der Film auch Festtagsmuffeln Freude macht, ist für die Regisseurin eines klar: „Es ist kein Anti-Weihnachtsfilm: Es ist eben eine etwas andere Weihnachtsgeschichte – und das war mir wichtig.“ Überhaupt war die Geschichte von Drehbuchautorin Esther Bernstorff ein wahres Herzensprojekt der jungen Filmemacherin: Vier Jahre lang wurde an „4 Könige“ gearbeitet, die Geschichte verfeinert und weiterentwickelt. „Mir war es wichtig, dass es auch zu meinem Drehbuch wird“, sagt von Eltz.
„4 Könige“ ist ein Film über Persönlichkeiten, der behutsam und mit viel Liebe menschliche Abgründe erkundet. Die Dreharbeiten hat Paula Beer als sehr emotional erlebt: „Es war sehr intensiv, besonders die Momente zu viert“, sagt sie. Diese Intensität wird auf der Leinwand lebendig; ganz besonders bei Jannis Niewöhner: Der SOKO- und Tatort-erfahrene junge Schauspieler setzt den aggressiven Timo mit bohrendem Blick und ununterbrochener Körperspannung in Szene, man spürt förmlich, wie er in jeder Sekunde kurz vor der Explosion steht. Gleichzeitig lässt der Film auch viel Raum für das Schweigen, für eine Ruhe, die mal beklemmend, mal beruhigend wirkt.
Was allen Beteiligten wichtig war: „Wir wollten keine klaren Krankheitsbilder oder Familienstrukturen zeigen“, sagt die Regisseurin. Der Zuschauer ahnt wohl, dass der krankhaft schüchterne Fedja eine Art Angststörung oder Depression hat. Zum Ende wird angedeutet, dass Schlägertyp Timo traumatisiert ist. Bad Girl Lara scheint hingegen seelisch gesünder zu sein als Teile des Pflegepersonals. Der Effekt: Wir bleiben offen und neugierig, behutsam ertasten wir das Seelenleben der vier Könige, anstatt es mit einem psychiatrischen Etikett zu versehen. „Das war uns auch wichtiger, als es medizinisch zu benennen“, sagt Schauspielerin Paula Beer. Sie spielt das geplagte Scheidungskind Alex, und findet: „Das ist ja gerade das Feine an dem Film, dass wir die Probleme langsam erahnen können.“ Für sie geht es nicht um vier psychisch Kranke: „Es sind einfach Menschen mit Problemen. Sie waren vorher in Umgebungen, in denen sie nicht wirklich frei waren“, sagt Paula Beer. Paradoxerweise finden sie diese Freiheit ausgerechnet in der Psychiatrie.
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