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Lüdia-Gewinnerin Tini Tüllmann (Freddy Eddy)

And the Lüdia goes to...

14. November 2016

27. Kinofest Lünen vom 10. bis zum 13.11. in der Cineworld – Festival 11/16

Lünen, 10.11 bis 13.11 – Das Kinofest in der Cineworld ist vorbei, vier Tage und über 50 Filme sind gesichtet, 11 Preise vergeben. And the winners are …

Moment, bevor wir zu den Preisträgern des 27. Kinofests Lünen kommen, widmen wir uns drei Filmen, die zwar, bis auf einen Jugendpreis, leer ausgingen, aber nichtsdestotrotz bemerkenswert und herausragend waren.

 

Anishoara

 

Es ist ein unscheinbarer Film, den Regisseurin Ana-Felicia Scutelnicu aus Moldawien mitgebracht hat: Die junge Schönheit Anishoara wird erwachsen in einem Dorf, in der abgelegensten Ecke des ärmsten Lands Europas. Hier wird nicht viel gesprochen, dafür mehr getrunken, der Alltag ist schlicht, das Land idyllisch. Ein Jahr lang begleitet der Zuschauer sie, es wird tatsächlich erstaunlich wenig gesprochen und ja, die Handlung plätschert etwas arg vor sich hin. Aber darum geht es hier auch gar nicht: Scutelnicu zeichnet das Porträt eines Landes, einer Art zu leben, liebevoll, aber nicht verklärt: Wir erleben die Schönheit dieses unbekannten Landes, seine Volkslieder und Geschichten, und die ganz persönliche Geschichte von Anishoara und wir sehen die profane Hässlichkeit der Armut. Und dann lernen wir, wie beides irgendwie zusmmenspielt und dieses Zusammenspiel das ausmacht, was man vielleicht die Seele einers bestimmten Landes zu einer bestimmten Zeit nennen kann.

 

Anishoara lebt wie in einem Dritt-Welt-Staat, die Geschichte spielt heute. Der Staat Moldawien, ein Irrlicht zwischen Russland und EU, könnte gerade dabei sein, die nächste Ukraine zu werden, unken manche. Der nächste Spielball im neuen Ost-West-Konflikt. Und auf einmal wirkt Anishoaras Welt ganz weit weg und sehr zerbrechlich...

 

Alles können – außer frei sein

 

Vom Krieg der Zukunft handelt auch die Dokumentation „Krieg und Spiele“ von Karin Jurschick: Es geht um Drohnen und künstliche Intelligenz, aber schließlich ganz grundsätzlich um die Frage, in was für einer Welt wir leben wollen. In einer „postheroischen“, die der interviewte Politologe Herfried Münkler diagnostiziert, in der Feigheit eine Tugend ist? Und was, wenn der Mord auf Knopfdruck sauberer, effektiver ist, weniger zivile Opfer fordert? Für moderne Philosophen ist Ethik ein logisches System wie andere auch – und wenn Moral programmierbar ist, dann wären Maschinen die besseren Menschen. Oder nicht? „Aber eins kann die Maschine nicht“, bemerkte die Regisseurin abschließend: „Widerstand leisten.“ Eben, das muss der Mensch noch selber leisten, auch in naher Zukunft.

 

Sci-Fi Noir

 

Er muss es sogar, wenn sich die Zukunft so darstellt wie in der brillanten Dystopie des Wiener Regisseurs Valentin Hitz: Mitte des 21. Jahrhunderts haben Konzerne den Menschen auch das Recht auf Tod genommen – wer verschuldet stirbt, wird künstlich am Leben erhalten und zum Wohle einer grausamen Gesellschaft ausgeschlachtet, sei es als Leihmutter oder „Visionär“, dessen mentale Ressourcen bis zum letzten Lebensfunken ausgebeutet werden. Einziger Ausweg: eine Todesversicherung, und die ist nicht billig. Natürlich gbt es auch eine handvoll Aktivisten, allen vorran Lisa (Jaschka Lämmert), die gegen die Verhältnisse aufbegehren – und den Versicherungsvertreter und Antihelden Vincent, Clemens Schick erweckt dessen verhunzte Seele bravourös zum Leben.

 

„Stille Reserven“, so der Titel des düsteren Science-Fiction-Films ging allerdings nicht ganz leer aus: Immerhin konnte sich die Ü16-Schülerjury für die gelungene Endzeit-Vision erwärmen. Die Begründung der Nachwuchs-Kritiker: „Weil der Film einfach geil war.“ Dem können wir uns – mit einigen, wenigen Abstrichen – voll und ganz anschließen: Gerne wüsste man mehr über diese dunkle Welt, gerne hätte man auch erfahren, was es mit der offensichtlichen Teilung der Gesellschaft en detail auf sich hat und der Entwicklung der Figuren hätte man, um ein wirkliches Meisterwerk zu schaffen, einfach noch mehr Platz einräumen müssen.

 

Erst im Nachhinein bemerkt man, dass das soziale Horrorszenario nicht bis ins allerletzte Detail durchdacht ist. Aber während des Films geht der Betrachter vollkommen in der düsteren Vision auf, in den sterilen Hochglanz-Gebäuden der „Europe All Risk“-Versicherung wie auch in den schäbigen Mietskaschemmen in den Wiener Slums, der sozialen Müllhalde dieser falschen Welt. Das Ganze hat das Aroma des Endzeit-Szenrios „Children of Men“, und sogar ein klein wenig vom Charme des ersten Matrix-Teils. Sehenswert ist der Film allemal – allein schon als packender Beweis dass Science-Fiction natürlich immer aufwendig, aber nicht automatisch teuer sein muss. Es reicht ein untrüglicher Instinkt für gute Schauplätze und Einfallsreichtum.

 

Die Preisträger

 

Einfallsreichtum, und vor allen Dingen einen festen Willen, musste auch Tini Tüllmann aufwenden: Für ihren Thriller „Freddy Eddy“ blieben sämtliche Fördertöpfe verschlossen, ein Verleih fand sich auch noch nicht – dafür aber ein begeistertes Publikum, dass der jungen Regisseurin dieses Jahr die Lüdia, den mit 10.000 Euro dotierten großen Preis des Kinofest Lünen bescherte. Aus ihren ersten Worten sprach ehrliche Überraschung: „Krass, krass, krass.“

 

„Leider werden Genrefilme in Deutschland kaum gefördert“, sagte sie später. Nach anderthalb Jahren erfolgloser Suche nach einer Finanzierung, nahm sie's schließlich selber in die Hand. „Deshalb ist der Preis jetzt natürlich umso schöner! Und da es ein Publikumspreis ist, widerlegt er hoffentlich, dass Deutschland keine Genrefilme sehen will“, so die Regisseurin.

 

„Einer von uns“, der Gewinner des Berndt-Media-Preises für den besten Filmtitel, räumte gleich doppelt ab: Für das „musikalische Gesamtkonzept“ des Porträts einer Jugend-Clique, bekamen Maja Osojnik und Matija Schellander den Filmmusik-Preis des Festivals. Für die musikalische Untermalung der trostlosen Jugend vorm grauen Einkaufszentrum konnte das Filmteam den Rap-Poeten Maeckes gewinnen.

 

Die restlichen Preisträger: Der Kinderfilmpreis Rakete geht an Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf für „Auf Augenhöhe“, ebenfalls der Schülerfilmpreis 10+, der RuhrPott für den besten Film mit Revierbezug geht an Jan Georg-Schütte für „Massage für Paare“ un der HWG Drehbuchpreis an Julia C. Kaiser für das schräge Paar-Porträt „Die Hannas“. Heidi Specogna gewann die Perle, den Preis für Frauen in der Filmbrache, für „Cahier africain“, und über die Publikumspreise für Kurzfilme freuten sich Tarek Roehlinger („Un état d'urgence“) und Felix Ahrens („Am Ende der Wald“). Einen Preis hat das Kinofest Lünen selbst zwar nicht gewonnen, dafür aber einen Rekord geknackt: 9.900 Menschen strömten zum langen Filmwochenende ins Kino an der Lippe.

Dominik Lenze

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