Eigentlich macht ja nur ein Fluxkompensator im schnittigen DeLorean Zeitreisen erst möglich. Manchmal scheint das noch im Kopf mit einem passenden Roman praktikabel zu sein, im Theater sind derartige Erfahrungen eher selten – aber wohl nicht unmöglich, wie Miriam Ibrahim am Dortmunder Theater jetzt vielleicht zeigen wird. Sie inszeniert dort „Adas Raum“ nach dem gleichnamigen Roman der Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Sharon Dodua Otoo.Darin reist die titelgebende Ada durch die Geschichte des Patriarchats und der Frauenfeindlichkeit. ImRoman durchlebt Adavier verschiedene Zeitebenen: 1459, 1848, 1945 und 2019.Mit durch die Zeit reist auch ein „Wesen“, welches die Form unterschiedlicher Gegenstände wie Türklopfer oder Besen annehmen kann (nein, eine Telefonzelle ist nicht dabei) und darauf erpicht ist, göttlichen Einfluss zu generieren.
Geboren wird Ada in Westafrika. Erst wird sie verschleppt, dann wird sie Mutter. Am Ende wird sie in einem Sturm erschossen, als sie ihr gestorbenes Kind begraben will. Die Sequenz markiert den Beginn der Kolonialzeit. Hier taucht erstmals ihr wertvolles goldenes Perlenarmband auf, das sie immer durch die Zeiten begleitet und das am Ende noch eine große Rolle spielen soll.
Cut. Das literarische Wurmloch von Sharon Dodua Otoo führt nach 1848, dem revolutionären Jahr, als es in fast ganz Europa, besonders aber in Frankreich, Polen Ungarn, aber auch in den Staaten des Deutschen Bundes richtig ungemütlich wird, weil es zu militanten Aufständen und quasi zu Bürgerkrieg kommt. Ada lebt verheiratet alsLady King in London und techtelmechtelt mit Schriftsteller Charles Dickens. Als das herauskommt und auch noch das vom Ehemann geschenktePerlenarmband unauffindbar (weil verpfändet) ist, wird Ada vom eifersüchtigen Gatten im Sturm erschossen und taucht flugsals Zwangsprostituierte im Bordell des KZ Dora auf, kurz bevor der zweite Weltkrieg endet. Es kommt wie es kommen muss, dasPerlenarmband spinnt die blutigen Fäden, Ada wird am elektrischen Zaun erschossen – Sie ahnen es, mitten im Sturm. Das Jahr 2019 wird jetzt nicht mehr gespoilert, das müssen Sie selber lesen – oder auf die Inszenierung von Miriam Ibrahim in Dortmund warten.
Adas Raum | 27. (UA), 28.4., 5., 25.5. | Schauspielhaus Dortmund | 0231 502 72 22
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