Berlin vor wenigen Tagen: Ägyptens Machthaber und Militärchef al-Sisi wird in Berlin mit militärischen Ehren empfangen, eine junge Journalistin, der verwehrt wurde, eine Frage zu stellen, kann nicht mehr an sich halten und nennt ihn „Mörder“ – ihr Arbeitgeber hat sich natürlich von ihr distanziert. Nicht zu vergessen der Al-Jazeera-Journalist Ahmed Mansur, den deutsche Behörden stellvertretend für die ägyptischen zunächst festgesetzt hatten.
Bahnhof Langendreer, am 22.6.: Ramy Essam, Revolutionsbarde vom Tahrir-Platz, die ägyptischen Rapper MC Amin und Rush sowie eine Menschenrechtsaktivistin sprechen über die Lage in ihrer Heimat, vor überschaubarem Publikum. Es ist nicht der einzige Termin in Deutschland, die Medienpräsenz ist überschaubar, kein roter Teppich im Kanzleramt – schließlich sind wir eine Demokratie und müssen als solche zunächst unsere Waffen verkaufen. Oder so ähnlich.
Wie dem auch sei: Unter dem Motto „Unfinished Revolution“ berichten die jungen Ägypter in mehreren deutschen Städten über die Lage in ihrem Heimatland und die künstlerischen Formen des Protests, allen voran: die Musik.
Was viele nicht wissen: „Es ging bei der Revolution nie um die Person Mubarak – sondern um die Macht des Militärs“, erklärt Ramy Essam, der von Anfang an dabei war, beim sogenannten arabischen Frühling: Zunächst kein politischer Aktivist, sondern Liedermacher, kam zu den ersten Demonstrationen mit seiner Gitarre. Aus den Parolen auf dem Tahrir-Platz setzte er den Song „Irhal“ zusammen, zu deutsch: Verschwinde.
Das Liedgut, für das Ramy in seiner Heimat auch gefoltert wurde, brachte er auch im Bahnhof Langendreer auf die Bühne: „Hela, Hela“, ein Lied über die ägyptische Arbeiterbewegung, oder einen weiteren Song für die ägyptischen Fußballfans, die auch eine entscheidende Rolle bei der Revolution gespielt haben. Und natürlich die Lieder vom Tahrir-Platz – die Revolution hat viele Gesichter.
Darunter auch die ägyptische HipHop-Szene: „HipHop als Bewegung startete 2005 in Ägypten“, erzählt Rapper MC Amin. So wie HipHop in den 80ern als „CNN der Schwarzen“ galt, verbreiteten Rapper in Ägypten das Gedankengut der Revolution und die Kritik an den bestehenden Zuständen in ihren Texten. „Ägyptische Medien repräsentieren aber nur die unpolitischen Spaß-Rapper“, bemängelt Amin. Auf andere Musiker warten hingegen Auftrittsverbote oder Einschränkungen beim Tonträgerverkauf. „Die meisten Künstler haben sich einschüchtern lassen“, pflichtet Ramy Essam ihm bei.
In konservativen deutschen Blättern und am Stammtisch hört man es ja oft: Die Araber, die ja sowieso noch nicht „so weit sind“ wie wir, sie seien einfach noch nicht bereit für die Demokratie. Aktivistin Sara, die auch bei der „Unfinished Revolution“-Tour dabei ist, sieht es anders: „Die Leute sind bereit für die Demokratie – nur die Machthaber noch nicht.“ Denn während der Tour werden in Ägypten neue Gefängnisse gebaut – die alten sind überfüllt, mit 40 000 Zivilisten, verurteilt von Militärgerichten.
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