Was waren das für Zeiten, als man das oder den Böse(n) auf Anhieb erkannte. Es hatte einen Bockfuß, trug in einer Hand eine Riesengabel und schoss mit der anderen wahllos um sich. Vorbei diese Zeiten, bien revolu, long past. Dergleichen konstatiert auch Thilo Seibel in seinem Programm „Das Böse ist verdammt gut drauf“, mit dem der Kabarettist am 29. April im Bochumer Bahnhof Langendreer auftritt.
Das Böse hat sich weiterentwickelt. Es hat auf einer Business-School studiert, umgibt sich mit Juristen und Beratern und arbeitet mit effektiven kleinen Grausamkeiten wie Agrarsubventionen, einer Drittstaatenregelung, Rüstungsexporten und Festen der Volksmusik. Es überschüttet uns mit einem bunten Reigen aus Geländelimousinen, Einschaltquoten und Billigflügen, so Seibel in seiner klugen Bestandsaufnahme.
Einen Hang zu Alliterationen kann man Maria Vollmer nicht absprechen: „Push-up, Pillen & Prosecco“, so der Titel ihres Programms, mit dem die gleichnamige Protagonistin zum dritten Mal das undankbare Hausfrauendasein thematisiert. Dabei ist diese Maria in den „besten Jahren“, Mutter zweier pubertierender Söhne und Gemahlin von Rainer, der mit beiden Beinen tief in einer Midlifecrisis steckt, noch ganz schön sexy.
Davon überzeugen kann man sich am 7. April im Dortmunder Cabaret Queue, wo Vollmer die Übergangsphase zwischen Minirock und Birkenstock, Rock’n’Roll und Rheumadecke zelebriert. Der Kölner Künstlerin gelingen unter der einfallsreichen Regie von Dada Stievermann durchaus authentisch wirkende Szenen und anrührende Momente, in welchen sich so manche Zuschauerin wiedererkennen kann. Gleichwohl fischt die attraktive Maria weitgehend in trüb gewordenen Klischee-Gewässern. Sei es im Hinblick auf die heimischen Pubertiere, seien es die Nachbarn oder der Ehemann, der einen Kettensägeführerschein machen will. Man wird den Eindruck nicht los, dass Frau Vollmer auch im dritten Versuch, das Reihenhaus-Idyll satirisch zu zerlegen, hinter ihren Möglichkeiten zurück bleibt. Das betrifft sowohl ihre Stimme, die zu schrillen Übersteigerungen neigt, als auch ihre körperliche Präsenz und gedankliche Originalität (Mitautoren: Gernot Voltz und Peter Vollmer), über die sie zweifelsohne in reichem Maße verfügt. Das zeigt sich nicht zuletzt in der „Ich habe Angst vor...“- Nummer, in der sie sich selbst am Xylophon begleitet. „Wenn Frauen arbeiten, hört man nichts“, ist daneben eine weit weniger tiefsinnige Erkenntnis, die sich nicht ohne Weiteres auf Maria Vollmer übertragen lässt. Das wiederum ist auch gut so. Andernfalls würde sie nicht regelmäßig einen derart ohrenbetäubenden Applaus erhalten. Davon überzeugt ist jedenfalls die Ihnen stets ergebene
Maria Vollmer | Fr 7.4. 20 Uhr | Cabaret Queue, Dortmund | 0231 41 31 46
Thilo Seibel | Sa 29.4. 19.30 Uhr | Bahnhof Langendreer, Bochum | 0234 687 16 10
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