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„Graf Öderland“
Foto: Thilo Beu

Das ungefüllte Loch im Hirn

23. Februar 2012

Max Frischs „Graf Öderland“ in Essen – Theater Ruhr 03/12

In der Mitte der Bühne von Kathrin Frosch befindet sich ein großes Loch, es ist gleichzeitig Gefängnis und Sehnsuchtsort, der Rest der Landschaft mit Schräglage ist kalt und ungemütlich. Hier wird der Staatsanwalt seinen Weg vom Bürger zum Revolutionär und zum herrschenden Despoten machen. Max Frischs Stück „Graf Öderland“ hat nichts von seiner Zeitlosigkeit verloren, Regisseurin Konstanze Lauterbach inszeniert das Lieblingsstück des Autors in großen zwölf Bildern am Schauspiel Essen.

Die Zündschnur wird zu Beginn angesteckt, als der Jurist im Staatsdienst über einem ungewöhnlichen Fall brütet: Ein Bankangestellter wurde ohne ersichtlichen Grund zum Mörder, gesteht die Tat freimütig, rechtfertigt sich aber nicht über mögliche Motive – es gibt keine. Der Staatsanwalt kann den Mann, den er nun anklagen soll, irgendwie verstehen und das erzeugt Ängste, die in Lauterbachs Deutung leider nur in die wahnhafte Verwirrung führen. Jahn Pröhl als Staatsanwalt flieht aus seinem Leben, irrt durch die Kälte und findet das Märchen vom Grafen Öderland, der mit der Axt durch die Welt zieht und tut, was er will. Freiheit erkämpft mit Gewalt, Ausbruch aus einer gefühlsmechanisierten Gesellschaft, Leben ohne Reue. Das zieht die Menschen, die unter dem gleichen Trauma leiden, magisch an. Öderland wird zum Symbol, zur Spitze einer folgenschweren Bewegung, die die Machtverhältnisse verändern will.

Was in Essen zu kurz kommt, ist der eigentliche Traum, die Reise nach Santorin, zum auserkorenen Sehnsuchtsort des Staatsanwalts, der mit seinem reglementierten Leben nicht zufrieden war. Er war es, der den Deckel aufspringen ließ und die Geister losschickte und nicht die Möglichkeit, gleich den ganzen Staat umzukrempeln. Das Schiff mit den drei Masten ist nur noch ein Modell, der Vulkan ist die Kanalisation unter der Metropole. Das macht die ganze Geschichte natürlich zeitgenössischer, aber nur in plakativer Weise, der Staatsanwalt wird am Schluss zum Herrscher wider Willen, weil ihn die einstigen Repräsentanten so besser kontrollieren können. Eine perfide Parabel von der Abhängigkeit von Freiheit und Macht. Das eigentlich Beunruhigende, dass in der Gesellschaft eigentlich irgendwo immer schlafende Äxte lauern, ging verloren.

„Graf Öderland“ | Sa, 3.3., 19.30 Uhr | Schauspiel Essen | Infos: 0201 8 12 22 00

Peter Ortmann

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