Im NRW-Forum geht es immer um drei Dinge: Fotografie, Pop- und digitale Kultur. Das sagt Direktor Alain Bieber. So bleibt das auch im hochkarätigen Programm für 2017.
trailer: Herr Bieber, wie viel Platz benötigt eine virtuelle Ausstellung wie „Unreal“ im NRW-Forum?
Alain Bieber: Das lässt sich sogar relativ einfach beantworten: Genau fünf mal fünf Meter. Wenn man mit nur einem Set arbeitet. Wir wollen im Obergeschoss einen digitalen Erweiterungsbau schaffen, der physisch erreichbar sein soll über eine Lounge-Situation. Ich habe jetzt alle Virtual-Reality-Brillen getestet und meiner Meinung nach ist die beste – ich will eigentlich keine Werbung für die machen, und wir werden auch nicht von denen gesponsert – aber das ist die HTC Vive. Man setzt die auf und ist komplett in der digitalen Umgebung. Das funktioniert auch so, dass man sich frei bewegen kann. Deshalb gibt es da Kameras, die sehen, wo man gerade ist in den fünf mal fünf Metern, das heißt, ich kann mich auch im virtuellen Raum frei bewegen. Wir wollen, wenn wir das finanziell schaffen, fünf solcher Parzellen haben und dann könnten immer fünf Besucher gleichzeitig in einen digitalen Raum gehen. Die Idee ist, einer jungen Künstlergeneration, die vor allem im digitalen Raum arbeitet, eine permanente Plattform zu geben. Wir wollen ja nichts Bestehendes digitalisieren, sondern wir arbeiten mit Künstlern, die extra für diese Ausstellung digitale Werke produzieren. Da ist es einfach die natürlichste Umgebung, ihre digitalen Sachen auch in digitale Räume zu lassen.
Und da bleiben sie dauerhaft?
Nicht wirklich, sondern auch. Denn das Interessante ist, dass man diese Ausstellung theoretisch von überall anschauen kann. Sie wird dann eine App, die können sie sich zuhause runterladen, und wenn sie so eine Brille haben, können sie diese Ausstellung auch im Wohnzimmer anschauen. Das heißt, die eigentliche Raumfrage wird bereits heute obsolet – und das hinterfragt natürlich auch so eine Konstruktion wie ein Museum. Das ist natürlich interessant, wenn der Besucher die Ausstellung mitnehmen, archivieren und zuhause immer wieder anschauen kann. So kann man ein ganz anderes Publikum erreichen – auch in Hamburg kann ich mir beispielsweise das Ding runterladen und dort anschauen, dafür muss ich nicht nach Düsseldorf kommen.
Wird also „Unreal“ das Highlight in 2017 – oder wird es doch eher der „Mythos Tour de France“?
(lacht) Ich glaube, die Frage nach dem Highlight ist eine schwierige, denn unser ganzes Jahresprogramm besteht aus Highlights. Da geht es immer um drei Dinge: Fotografie, Pop- und digitale Kultur. Das sind natürlich Ausstellungen für unterschiedliche Zielgruppen. Ich glaube, dass für ein klassisches Publikum die Peter-Lindbergh- und Garry-Winogrand-Ausstellung „Women on Street“ das Highlight ist. Denn das ist klassisches 20. Jahrhundert. Aber dann haben wir eben die Thomas-Mailaender-Retrospektive und die Erik-Kessels-Ausstellung: Die beiden sind mehr zeitgenössische Popkultur, soll heißen: Für Leute, die sich dafür interessieren ist das natürlich ein Highlight. Und für die digital Interessierten wird die „Unreal“-Ausstellung das Highlight sein.
Aber Publikumsrenner wird das Spielefestival „Next Level“?
„Next Level“ hat hier im ersten Jahr sehr gut angefangen – nach drei Jahren in Köln und drei Jahren in Dortmund. Wir hatten über tausend Besucher, das war schon mal gut, aber das können wir auf jeden Fall noch steigern. Denn das Interesse ist da und auch das Potential von Hochschulen, Unternehmen und Start-Ups – auch das kann man noch komplett ausbauen. „Next Level“ ist aber eher ein Festivalkonzept. Wenn ich jetzt schätzen müsste, dann würde ich schon sagen, dass die Tour-de-France-Ausstellung wahrscheinlich die meisten Besucher erreichen kann, weil wir auch dort große Fotografennamen haben. Da sind Andreas Gursky oder Robert Capa, die bei der Tour de France fotografiert haben. Dazu erwartet die Stadt ja zwischen ein bis zwei Millionen Touristen. Wenn wir die alle erreichen, wäre das natürlich super.
Im Februar kommt nach „Bling Bling“ (choices-Artikel) Thomas Mailaenders „The Fun Archive“ – gibt es dann frische Eier?
Da gibt’s vielleicht auch frische Eier. Sie spielen wahrscheinlich auf sein „Chicken Museum“ an. Der Künstler beschäftigt sich ganz viel mit Archiven. Und vor allem hat er ein Archiv aufgebaut, das nennt er „The Fun Archive“, da hat er Meme-Bilder aus dem Internet gesammelt und schleust die quasi immer wieder in die Hochkultur ein, zum Beispiel in Form von verrückten Keramiken, die er aus den Bildern macht. Da ist auch eine Rauminstallation, die „Chicken Museum“ heißt, in der es echte Hühner gibt, und die Bilder darin sind extra auch auf Hühnersichthöhe gehängt. Wenn wir die Genehmigung vom Veterinäramt bekommen… – im Moment sind Hühner ja ein ganz brenzliges Thema wegen der Geflügelpest – …aber die Anträge laufen natürlich.
Wie sieht es denn bei den aus dem Internet gezogenen Bildern mit dem Urheberrecht aus?
Ja, ein interessanter Fall – viele Leute verstehen das auch nicht. Er nimmt viel Material aus dem Netz, benutzt es für eigene Werke, macht daraus was Neues, aber will dann zum Teil auch nicht, dass man seine Sachen wieder übernimmt und remixt. Bei seinen Downloads handelt es sich allerdings um Dinge, wo es einfach keinen Urheber mehr gibt oder kein Urheber das irgendwie mitkriegen würde, weil sich diese Bilder inzwischen zu Hunderttausenden verbreitet haben. Und ansonsten kümmert er sich darum.
Und parallel läuft dann „Women on Street“. Lässt sich die enorme Qualität der Bildkünstler im NRW-Forum überhaupt in Stadt und Land transportieren?
Da arbeiten wir dran. Also ich hoffe, dass man das mitkriegt, das wir hier ein engagiertes ambitioniertes Programm machen, bei dem wir auch versuchen, internationale Stars zu haben, Peter Lindbergh wird zur Ausstellungseröffnung von „Women on Street“ selbst kommen. Und das versuchen wir immer zu transportieren, damit man es mitkriegt. Aber, es wird natürlich auch außerhalb des Bundeslandes wahrgenommen.
Sogar in Malta?
Malta hat zu der Zeit den EU-Vorsitz und die haben deshalb eine Wanderausstellung über digitale Medienkunst gemacht, kuratiert von Vince Briffa der 1999 den Malta-Pavillon der Biennale Venedig bespielt hat. Sie haben für „In Transit“ eine Location gesucht und uns gefunden.
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