Vielleicht leidet unsere Umwelt. Aber ein Dornröschen-Prinzip als globale Rettungsaktion? Nun, stellen wir uns einmal vor, dass nicht nur eine Prinzessin eine lange Zeit im Turm schläft, sondern alle Menschen auf der Welt ein ganzes Jahr. Dafür braucht man natürlich keine Haufen an vergifteten Spindeln, sondern eher 54 E, ein Schlafgas, das irgendwann in der Zukunft Weltraumreisen erträglich machen soll und vielleicht sogar unschädlich ist. Sei es drum – Hauptsache: Niemand verbraucht in 365 Tagen mehr Energie, keine Bodenschätze, keine Lebensmittel. Und: Ein CO2 Ziel könnte endlich erreicht werden. Erdacht hat sich dieses Endzeit-Szenario fürs Jahr 2030 der irisch-australische Dramatiker Finegan Kruckemeyer. Das Stück „Der lange Schlaf“ will laut Pressetext ein aufreibendes Gedankenexperiment sein, ist aber eigentlich mehr ein Horrortrip durch eine erstarrte Welt, die schlichtweg an mangelnder Vorbereitung der Versuchsanordnung leidet und eher seuchenartig auf dem Weg zum Planeten der Affen wird. Aber die Leithammel der Menschen glauben keine Alternativen mehr zu haben, die Hoffnung bleibt, doch die ist trügerisch. Die Idee hat viele Mängel und die Katastrophen sind immanent.
Denn einige sind natürlich auf Grund von Anomalien weltweit wach geblieben und streifen nun durch ihre einsamen Weiten, genießen scheinbar gewaltfreie Anarchie zwischen sterbenden Menschen wegen brennender Gasleitungen, sind aber auf der Flucht vor Rudeln wieder verwilderter Tiere. Man mag die Gedankengänge, die in zahlreichen historischen Dystopien schon verarbeitet wurden, gar nicht weiter verfolgen. Ein Robert Neville ist im Stück natürlich nicht dabei, denn die „normale“ Menschheit möchte ja gerne in dieser neu geschaffenen Wildnis wieder wachwerden. Doch davor prophezeit Kruckemeyer hohe Kollateralschäden, seine Protagonisten kämpfen auf allen Erdteilen in einem kaum beherrschbaren Szenario. Im Theater Oberhausen inszeniert Christoph Mehler diese zwanghafte Regeneration von Fauna und Flora auf der Bühne, die nicht nur einhergeht mit der Frage nach Legitimität der Selbstermächtigung der für alle Handelnden, sondern auch mit der möglichen Negation heutiger Ansätze für eine Umkehr im Anthropozän. Geplant ist in Oberhausen auch ein Begleitprogramm mit Biosphärenbotschafterin Stefanie Aehnelt.
Der lange Schlaf | 21.5. 11 Uhr (Matinee, freier Eintritt), 26.5. (P) 19.30 Uhr | Theater Oberhausen | theater-oberhausen.de
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