Naturalismus welcome! Der Kamin glüht, in der Küche hängt Wäsche über der Leine und im Wohnzimmer hockt Eduardo, genannt Eddie (Wolfgang Michalek), der Held in Arthur Millers „Ein Blick von der Brücke“, mit Lulle und dem Enterhaken des Schauermanns am Tisch. Man riecht den Arbeiterschweiß der 1950er Jahre geradezu – Proletarier in Odorama. Kaum hat man es sich bei der Unterschicht bequem gemacht, kommt das theatrale Über-Ich in orangefarbenem Kostüm und High Heels, Rechtanwältin Alfieri (Lea Ruckpaul), und klärt über Fremdheit, Tragödien und Identität auf.
Doch zunächst geht es weiter in die Tiefen des Einwanderermilieus. Bärbeißig gibt Eddie den italienischen Paterfamilias, der mit seiner Frau Beatrice (Cathleen Baumann) die Nichte Catherine (Lieke Hoppe) großzieht. Natürlich hat der Stiefvater ein Auge auf die 18-Jährige geworfen – doch nun kommen aus Bella Italia die Verwandten Marco (Thiemo Schwarz) und Rodolpho (Serkan Kaya) als Neueinwanderer. Einheimische Konkurrenz unter der Brooklyn Bridge. Die Eifersucht erwacht. Armin Petras inszeniert das Little Italy mit viel ironischem Klischee: Es wird gerne südländisch herumgebrüllt, Catherine zieht eine Aufgeilnummer mit Staubsauger vor ihrem Eddie ab, das Einwandererduo ähnelt einem Komikerduo.
Eddies Leben ist das kleine Glück und die Hoffnung, dass Catherine als zweite Generation das große Los zieht – und dafür soll sie nicht den buntgescheckten Loser Rodolpho heiraten. Petras will vom Zerfall eines Weltbildes erzählen, eines Modells von Konkurrenz und eines Hoffnungstransfers. Mit jedem Schritt den Eddie in Richtung Denunziation seiner Landleute bei der Einwanderungsbehörde macht, wird die Inszenierung ein Stück aufgesprengt: das Bühnenbild löst sich auf, ein Bewegungschor greift in die Handlung ein, Werbebanner erscheinen im Hintergrund, es gibt einen Boxkampf. Doch die inszenatorische Strategie geht nicht auf. Der Abend zerfasert in eine ästhetische und räumliche Heterogenität, die die Funktion individuellen Leidens fragwürdig macht. Der textlose Chor bleibt eine amorphe Masse, die Bilder verlieren sich in metaphorischer Beliebigkeit – der Zuschauer ist am Ende so orientierungslos wie die Einwanderer selbst.
„Ein Blick von der Brücke“ | R: Armin Petras | So 5.5. 18 Uhr, Mo 3.6. 19.30 Uhr | Düsseldorfer Schauspielhaus | 0211 36 99 11
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