Macht als Droge zu bezeichnen, ist Klischee. Wer Fotoporträts von deutschen Politikern im Laufe ihrer Karriere ansieht, entdeckt allerdings den Doppelsinn der Formulierung: Als auszehrendes Stimulans fräst sich Macht in die Gesichtszüge ein. Lot Vekemans leuchtet diesen Prozess in ihrem Stück „Momentum“ allerdings nicht als Langzeitbeobachtung aus, sondern als psychologische Tiefenbohrung. Der Parteiführer und Staatspräsident Meinrad Hofmann hat sein historisches Momentum verloren und hangelt sich von Skandal zu Skandal. Christian Erdmann verortet ihn zwischen Erschöpfung und Ausrasten, ein Nervenbündel am Rande des politischen Kamikaze. Wolfgang Michalek gibt als Spindoctor Dieter Seeger den strategischen Zoowärter dieses Alphatierchens, der angesichts der Unvernunft seines Schützlings sich selbst nur mühsam zügeln kann. Das Duo tigert auf Klaus Grünbergs raffinierter Bühne mit einem von Sitzreihen gesäumten und von unten beleuchteten Laufsteg hin und her und lotet die Nuancen zwischen Abhängigkeit und Hybris aus.
Eröffnet wird der Abend allerdings mit einem Monolog von Ebba Hofmann (Jana Schulz), der Frau des Parteiführers. Sie fungiert als unterkühlter supporting act männlicher Macht. Bestätigend, beschwichtigend, unterstützend und doch distanziert. Jetzt soll sie nach der Idee des Spindoctors eine Rede auf der Feier zum 50. Geburtstag der Partei halten – zur Rettung ihres Mannes, was der allerdings strikt ablehnt. Aber vielleicht steckt ja auch etwas völlig anderes dahinter.
In Roger Vontobels Uraufführung kommen die Figuren zwar zu ihrem Recht, die Tonlagen sind differenziert, die Emotionen prallen aufeinander. Doch die Untiefen des Stücks von Lot Vekemans, das unklar zwischen Realismus und symbolischem Drama changiert, bleiben bestehen. Meinrads Drang, der Partei die Wahrheit zu sagen, wirkt genauso floskelhaft wie Ebbas Appell an seinen Idealismus. Küchenpsychologie der Macht im Bannstrahl des Klischees. Allerdings wird Ebba außer von einem Möchtegern-Lyriker (Kilian Land) auch von ihrem totgeborenen Kind (André Kaczmarczyk als gruftig-tuntige Gewissensqual) begleitet. Diese Fehlgeburt fungiert als Katalysator unerfüllter Wünsche, an deren Ende zwar der weibliche Wille zur Macht steht. Aber eine Robin Wright wird aus dieser Ebba dann eben auch nicht.
„Momentum“ | R: Roger Vontobel | 29.12., 7., 17.1., 5.2. 19.30 Uhr | Schauspielhaus Düsseldorf | 0211 36 99 11
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