Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Foto: Sandra Then

Schlachtfeld der Phantasie

27. Februar 2019

„Hamlet“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 03/19

Auf den Plakaten im Zuschauerraum prangt das faltige Gesicht eines alten Haudegen. „A tribute to my father. Hamlet“ steht darunter. Schon darin liegt eine Provokation des dänischen Hofes, aber die Honoratioren machen gute Miene zum bösen Spiel. In der Mittelloge (Bühne: Claudia Rohner) thronen König Claudius und seine Frau Gertrud, linkerhand redet Ratgeber Polonius auf seine Kinder Ophelia und Laertes ein und rechts schwafeln die Pollunderboys Rosenkranz und Güldenstern. Auf der Vorbühne allerdings veranstaltet Hamlet und seine Band „Woods of Birnam“ sein Tribute-Konzert für seinen ermordeten Vater.

Hamlet, der melancholische Spieler, wird in Roger Vontobels bereits 2012 in Dresden entstandener Inszenierung zum Künstler, besser zum Sänger. Der Cantus firmus der Anklage transformiert sich in Kunst. Die Idee besticht insofern, als sie Melancholie, Protest, Zögerlichkeit und Defaitismus des Titelhelden kongenial mit dem Boderline-Habitus des Popstars verbindet, ohne sie darin aufzulösen. Und Christian Friedel ist ein faszinierender Hamlet, der dieses Konzept trägt. Die Szenen mit Ophelia (Cennet Rüya Voß) und später seiner Mutter Gertrud (Claudia Hübbecker) werden mit einer so brutalen Frauenverachtung ausgespielt, die nur notorisch zu nennen ist.

Vontobel blendet immer wieder vom Konzert in die Dialoge und verschiebt ständig das Aufmerksamkeitszentrum. Hamlets Mousetrap-Spiel, mit dem er dem König den Mord an seinem Vater nachweisen will, wird zum musikalischen Melodram, dem König Claudius (Christian Erdmann) zunächst nationalistische Lieder entgegenzusetzen versucht. Im zweiten Teil fährt die Logenwand zurück und gibt einen roten Steg frei. Hamlet wird zu einem Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs, getrieben von der Idée fixe der Rache. Die Inszenierung lässt die Szenen nun breiter ausspielen. Der Schluss ist dann pure Imagination. Aus dem berühmten Dialog über Yorricks Schädel entwickelt Hamlet einen Playground des Todes. Ophelias und Polonius‘ Leichen geben die Zuschauer für Hamlets finale Auseinandersetzung: Das Duell mit Laertes, der vergiftete Becher von König Claudius, das Sterben von Gertrude – alles ein imaginiertes Kinderspiel im Sandkasten der Hamletschen Fantasie. Bis das Schlachtfeld leichenübersät ist. Absolut sehenswert!

„Hamlet“ | R: Roger Vontobel | 2., 30.3. je 19.30 Uhr, 3., 31.3. je 16 Uhr | Düsseldorfer Schauspielhaus | 0211 36 99 11

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Offen und ambitioniert
Andreas Karlaganis wird neuer Generalintendant in Düsseldorf – Theater in NRW 12/24

Die Erbsen sind immer und überall
„Woyzeck“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/24

Unberührbare Souveränität
Frank Wedekinds „Lulu“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 03/20

Die Macht, ihr Preis und die Tradition
Düsseldorfer Schauspielhaus feiert 50-jähriges Bestehen – Theater in NRW 01/20

Donna Quichotta der Best Ager
„Linda“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 01/20

Lulle und Enterhaken
„Ein Blick von der Brücke“ im Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 05/19

Küchenpsychologie der Macht
„Momentum“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 01/19

Wie es den Kwants gefällt
Philipp Löhles „Die Mitwisser“ in Düsseldorf – Theater Ruhr 06/18

Bad Feeling vs. Feel-Good
„Der Sandmann“ in Düsseldorf und „Natürlich blond“ in Wuppertal – Musical in NRW 12/17

Travestie und Lumpenchic
Brechts „Dreigroschenoper“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 12/17

Mäzene bitte melden!
Düsseldorf saniert sein Schauspielhaus mit Spenden – Theater in NRW 11/17

Das Ende der Blutrache
Simon Solberg inszeniert „Die Orestie“ in Düsseldorf – Theater Ruhr 10/17

Theater Ruhr.

HINWEIS