Es ist immer wieder eine Freude, in die alten Brauereikeller in Unna hinabzusteigen und in den abgearbeiteten Hallen aktuelle Lichtkunst sehen zu können. Noch bis April leuchtet es da unten besonders hell. Das Zentrum für Internationale Lichtkunst zeigt mit „¡BRIGHT!“ Rauminstallationen von strahlender Schönheit – aber nur, wenn man sich der neuen „wahren“ Existenz von Leuchtstoffröhren bewusst wird. Ein Universum aus Licht, gespiegelt auf die Ausstellung „¡DARK!“, die Dunkelheit zelebrierte, eine Welt am Stromkreis, schön und doch seltsam unnahbar, denn eigentlich geht es auch um das Verschwinden von Gewohntem, das hier noch einmal einen neuen Stellenwert erhält.
Schon im Foyer füllt Volker Kempters (*1961) Installation „Blister“ (2006) die sogenannte „Schwankhalle“. Am Tage bleibt die über drei Meter sternförmige Alukugel eine mächtige helle Oberfläche im Licht, abends spiegelt sie sich in den Scheiben, leuchtet aus dem Gebäude heraus, ist Blickfang und komplexe Struktur zugleich. Kempter verwendet oft ausgebrannte Neonröhren oder modifiziert sie mit defekten Startern. Endlos ist dabei die Arbeit „Stalagmite 144“ (2015), die immer weiter in die Höhe wächst, wenn Neonröhren ausfallen und durch neue ersetzt werden müssen.
Den ersten Raum unter der Erde füllt allerdings Björn Dahlem (Jg. ’74) mit dem „Milky Way“ (2017), 14 Meter splittrige Dreiecke aus Standart-Leuchtstoffröhren, die die Milchstraße symbolisieren sollen. Wie einfache Module, die nur in einer Unzahl kosmische Dimensionen darstellen würden, stehen die Gebilde da im Tonnengewölbe, sie leuchten tapfer in drei Stromkreisen und mit Milchflasche gegen die rohen Wände, die Astrophysik bleibt imaginär wie bei Dahlems „Mond“ (2017) aus einem interessant gebauten Holzgerüst, in dessen Innern Spiegel das Licht reflektieren.
Hinter schwarzem Bühnenmolton zeigt sich ein riesiges Bündel Neonröhren, wie aufgerollt thronen sie auf einem Gestell, unter dem die Reste der Aufbauarbeiten von Molitor (*1947) und Kuzmin (*1943) liegen. Es ist das Modell „Extension –Model 1:1“ (2017), an dem nicht nur weitergearbeitet werden könnte, sondern das auch in Kopfhöhe des Betrachters in die Unendlichkeit gespiegelt wird. Eine Lichtschaltung in Intervallen setzt die Installation optisch in Bewegung, auch zu Klängen von Altmeister John Cage. Das Wesen der Industrie-Röhren teilt dabei auch die Seele seiner Umgebung. Vergänglichkeit atmen die Wände wie die Röhren auch schweigend.
Der Portugiese Pedro Cabrita Reis (*1956) hat die minimalistischte Installation beigesteuert. Bei „Standing and Laying“ (2017) geht es in erster Linie um den Raum selbst, um seine Vermessung, seine Beleuchtung. Ein umgedrehtes „T“ aus einem vertikalen und horizontalen Lichtstrich aus extra angefertigten Leuchtmittelröhren (von einem Bläser aus der Umgebung) in der Mitte des Gewölbes portioniert die Fläche, schwebt aber auch merklich über dem Boden. Der Keller der Lindenbrauerei wehrt sich gegen konstruktivistisches Vermessen. Noch wehren sich die Neonröhren gegen die LEDs. Ein vergeblicher Kampf.
¡BRIGHT! | bis 8.4. | Zentrum für internationale Lichtkunst, Unna | www.lichtkunst-unna.de
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