Zukunftsgerechtes Leben und Wirtschaften: Ideen dazu gab’s dieses Wochenende auf der fairventure-Konferenz in Essen. Eine Kooperation der VHS mit der Transition Town Initiative der Stadt. Teilnehmer konnten sich über den öko-sozialen Wandel informieren und bereits Aktive sich vernetzen. Neben Vorträgen, gaben Workshops Gelegenheit, Achtsamkeit zu erleben, sowie sich über Wirtschaft und Gärtnern zu informieren.
Ready – steady – go. In die zweite Etage. Der Blick fällt in einen Raum. Zu sehen: Ein Stuhlkreis. Rundherum Matten. Alle Teilnehmer des Workshops „Erlebe Achtsamkeit“ sitzen mit einem Kissen vor ihren Füßen auf einem Stuhl. Die Füße auf den Kissen. Wie fühlt sich das an? Was ist da drin? Es ist beinah wie knirschender Sand, wahrscheinlich gröber. Es ist angenehm, die Fußsohle langsam hin und her zu bewegen. Und doch ist die Erfahrung für den Fuß ganz ungewohnt. Das meint die Workshop-Leiterin Hanna Eckart also, wenn sie sagt, im Moment sein, wach und bewusst. Wenn wir es uns bewusst machen. Sie zeigt Methoden aus dem Repertoire der Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) nach Jon Kabat-Zinn. „Alles, was uns beschäftigt, ist Vergangenheit oder Zukunft, meist nie der Moment selbst“, sagt sie. Doch wie geht das? Die Gedanken schweifen doch immer ab. Die Mehrheit kennt das: Im Urlaub schon an die Aufgaben denken, die eine Woche später auf der Arbeit warten. Aus diesem inneren Karussell aussteigen, wünschen sich viele. „Mit Übungen der MBSR kann eine tolle innere Zufriedenheit entstehen“ weiß Eckart aus eigener Erfahrung. Ohne mich geht es jetzt weiter, auf den Matten.
Wussten Sie, dass wir ein Drittel unseres Lebens schlichtweg verschlafen? Das ist mehr als wir arbeiten. Wenn wir uns das einmal bewusst machen, wollen wir die Zeit sinnvoll gestalten, die wir wach zur Verfügung haben, oder? Diese völlig neue Perspektive zeigt der Workshop nebenan „Meine Welt, Wirtschaft und Geld“ mit Peter Krause. „Alle reden im Moment vom bedingungslosen Grundeinkommen“, sagt Krause. „Die Stunden, die wir wach zur Verfügung haben, das allerdings ist bedingungsloses Zeitkapital. Unser Kapital.“
Eine Etage tiefer öffne ich die Tür zum Raum 1.02 und werde entspannt von Marcel Botthof, Gründer der Initiative „Steinschleuder“, begrüßt. Er ist Seminarleiter für den Workshop „Gärtnern ist auch einfach mal machen“. Hier ist man schon tief eingetaucht in die Thematik und stellt ganz andere Thesen auf: „Ein Brötchen enthält nichts mehr, was uns wirklich ernährt.“ Warum ist das so? Meint Botthof die Industrialisierung der Landwirtschaft? Ja. Das Wegnehmen wertvoller Inhaltsstoffe wie beispielsweise die vitaminreiche Haut von Reiskörnern und die fehlenden Elemente bei Raffinade-Zucker? Vermutlich. „Warum entwickeln so viele Menschen plötzlich Unverträglichkeiten oder Intoleranzen gegen Lebensmittel, die wir seit Jahrtausenden essen?“ Eine berechtigte Frage. Das Seminar wird sie leider nicht abschließend klären können. Ein weiteres Problem: Das Gemüse, das es zu kaufen gibt, sei meist nicht samenfest. „Es handelt sich um Hybride, aus denen wir in der Regel auch nicht nachzüchten können.“ So entsteht eine fatale Abhängigkeit zwischen Konsument und Warenwirtschaft. Früher tauschten Nachbarn oder die Familie untereinander Saatgut und sie konnten sich auf diese Weise selbst versorgen. Das Warenwirtschaftssystem versucht, das nahezu unmöglich zu machen. Denn, wer selbst anbaut und das über Jahre mittels derselben Pflanze, der tritt aus dem System heraus. Aus einem System, indem es darum geht, zu konsumieren.
Letzter Punkt auf der Agenda ist die Fotoausstellung „Gemeinschaftlich Gärtnern in Essen“: Die Stimmung in den Gemeinschaftsgärten der Grünen Hauptstadt, eingefangen von vier Folkwang-Studenten. Das Projekt ist grandios: Satte Farben. Formen. Das Spiel mit Licht. Wer bei der Vernissage am 9.6. nicht dabei sein konnte, hat noch bis einschließlich 2. Juli in der VHS die Möglichkeit.
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