Das Motto des Favoriten Festivals 2024 in Dortmund lautet „(Un)Learning for possible futures“. In Performances, beim Tanz, in Installationen und Workshops soll das „Normale“ in Frage gestellt werden. Und die „possible futures“ (in etwa: „mögliche Versionen der Zukunft“)? Die Theorie eines Multiversums steht vielleicht hinter dem Anspruch, nach kritischem Nachdenken über eigene Positionen und der fast schon antiken Übung in Selbstkritik neue Wege aus den Dilemmas der Gegenwart zu finden. Apropos Antike. Das internationale Künstlerinnen-Kollektiv Waltraud900 befragt den alten Iphigenie-Stoff von Euripides neu und stellt dabei die zentrale Frage, ob die Töchter des Zukunft immer noch für Heldinnenopfer zur Verfügung stünden. Die interdisziplinäre Arbeit „Daughters of the Future“ der immer mehrsprachig agierenden Gruppe ist sicher ein Highlight beim Favoriten Festival 2024. Hätte Iphigenie heute eine andere Zukunft?
Die Zukunft vieler Menschen hat vor fast genau 24 Jahren ein Terroranschlag in Düsseldorf-Wehrhahn zerstört. Die Bombe verletzte ausgerechnet gerade ins Land gekommene Aussiedler:innen schwer, viele davon jüdischen Glaubens, und tötete ein ungeborenes Kind. Die Tat wurde bis heute nicht aufgeklärt, ist aus dem Gedächtnis der Gesellschaft fast verschwunden. Das Theaterkollektiv Pièrre.Vers verfolgt in ihrem halbdokumentarischen Stück „Dunkeldorf. Ein Stadtspiel“ alle, die auf verschiedene Weise an der Aufarbeitung des Anschlags beteiligt waren. Das Kammerspiel fragt in dem Text von Juliane Hendes auch danach, ob die Polizei auf dem rechten Auge blind gewesen ist.
Dem scheinbar aus der Orientierung gelaufenen Begriff der Gastfreundschaft gehen Liza Baliasnaja und Vera Boitcova in ihrer Performance „Knock-Knock-Knock“ nach. Die beiden fragen sich, was passiert, wenn diese eigentlich doch in der Vergangenheit immer funktionierende Beziehung zwischen Gastgeber:innen und Gästen nicht nur durch Missverständnisse, sondern auch durch Machtdynamik und kulturelle Unterschiede unmöglich geworden ist. Die beiden Performerinnen bearbeiten das Thema auch vor dem Hintergrund der eigenen Migrationsgeschichte, die von russischer Sprache und slawischer Kultur geprägt ist. „Knock-Knock-Knock“ verbindet volkstümliche Gruselgeschichten mit performativen Gesten der Gastfreundschaft, wobei das Publikum wohl einen Part in den Beziehungen zwischen Gastgeber:innen und Gäst:innen übernehmen soll.
Favoriten Festival 2024 | 5. - 15.9. | div. Orte in Dortmund | favoriten-festival.de
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