Ein heimliches Ritual ist es ja vor jeder Theateraufführung. Bevor der Vorhang aufgeht und Stille im Saal einkehrt, wandert noch mal ein Husten durch die Sitzplatzreihen. Da nimmt jeder seine eigene Rolle ein. Vom dezenten Räuspern, bevor – präventiv – das Salbei-Bonbon zwischen die Zähne geschoben wird. Bis zum brutalen Rausprusten des Frosches, der plötzlich im Hals zu stecken scheint. Dabei brauchen doch die AkteurInnen auf der Bühne eine geölte Stimme.
Anders ist es jedenfalls in der Performativen Installation „Voicing Pieces“. Da räuspere ich auch noch mal und schütte Wasser hinterher. Im Wissen, dass meine Stimmbänder gleich im Mittelpunkt stehen und ich heute ein bisschen viel geraucht haben. Aber das ist eine andere Sache.
Also, die Produktion des diesjährigen Theaterfestivals Favoriten erklärt die Stimme zum Protagonisten. Die türkische Künstlerin Begüm Erciyas produzierte ein Stück für eine Person. Im Depot werden die BesucherInnen eingeladen, in kleinen Klangkabinen Texte vorzulesen und damit der eigenen Stimme zu begegnen. Als unheimlich oder fremd. Als verzehrt oder verspielt.
Und das läuft so: Die Favoriten-Mitarbeiterin führt mich in den Raum der Installation, vorbei an einem großen Audiomischpult, wo Herren mit Headsets sitzen. Drinnen wird mir alles erklärt: drei schwarze Kugeln sind es. Ich soll ein Headset aufsetzen und dann meinen Rumpf in die Kugeln schieben. Und da drinnen sind die Texte, die ich lesen muss. Mal lauter, mal schneller, mal langsamer. Manchmal wird die Stimme dann auch lauter, schneller und langsamer, auch wenn man nicht mitspielt. Sogar Echo-Effekte der eigenen Stimme ertönen! Vielleicht drücken die Kollegen am Mischpult auf irgendwelche Knöpfchen. Munkeln darf man ja. Aber Kunst muss man ja nicht immer gleich verstehen.
Im Saal sitzt dann eine weitere Mitarbeiterin, für den Fall, dass jemand technische Probleme hat. Sie liest ein Buch. Doch wie kann sie sich überhaupt konzentrieren, wenn hier alle paar Minuten wer – die Rübe in der Kugel steckend – laut die Texte liest? Jedenfalls frage ich mich das (und hätte an dieser Stelle wirklich lieber mehr über die Installation selbst geschrieben), während ich selbst die Texte lese – und abschweife. Denn die Zeilen (und Effekte) beschäftigen einen nicht so wirklich. „Eins zwei, drei...“ ist anfangs aufzusagen. „Test, Test“. Und so weiter.
Komplexer wird es erst in der in der letzten Kugel. Da geht es darum, dass die Stimme spricht. Und diese spricht über die Stimme. Und die Stimme ist das Stück, das über die Stimme spricht. So in etwa, also die Stimme über das Stück. Und das Stück über die Stimme, die gesprochen wird. Nun kann man klug darüber spekulieren: alles eine Reflexion über die selbstreferenzielle, postmoderne Kunst? Oder empfiehlt es sich, an seine Lacan-Lektüre zu erinnern: die Stimme, die sich der narzisstischen Imagination widersetzt, weil sie im Anderen eingeht und daher als fremd zurückgeschleudert wird. Zeit, darüber nachzudenken, hat man ja endlich, während das Haupt in diesen Installationen steckt. Aber man kann auch einfach Spaß haben. Etwa wenn man einen Text über das Trinken und Reden laut liest. Und dabei die eigene Stimme lallen hört. Und nach der xten Zeile munkelt, ob das nicht eine nette Kirmes-Attraktion wäre: einen Euro einwerfen und mit Freunden lauschen, wie man denn so betrunken klingt.
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