Die Unsichtbaren – Wir wollen leben
Deutschland 2017, Laufzeit: 110 Min., FSK 12
Regie: Claus Räfle
Darsteller: Max Mauff, Alice Dwyer, Ruby O. Fee
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Doku-Fiction nach den Erinnerungen untergetauchter Juden und Jüdinnen
Mut, Improvisation – und ein wenig Naivität
„Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“ von Claus Räfle
Interview mit Regisseur Claus Räfle
Die Nazis erklärten Berlin im Februar 1943 für „judenrein“ – aber sie täuschten sich. Es gab in Berlin noch schätzungsweise 7.000 Jüdinnen und Juden. Und sie lebten nicht alle hinter Tapetentüren und in dunklen Kellern. Einige nahmen sogar am Alltag teil, in ständiger Gefahr wachsam ihre Umgebung beobachtend. Und manche überlebten. In Berlin waren es 1.700.
„Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“ erzählt exemplarisch die Geschichten von vier jungen Leuten und ihrer Unterstützer und Helferinnen. Dem Film liegen Interviews mit zwei Frauen und zwei Männern zugrunde, die der Filmemacher Claus Räfle vor zehn Jahren bei einem Dokumentarfilmprojekt traf. Diese vier sind faszinierend lebhafte Erzähler und Erzählerinnen. Nicht alle können den fertigen Film nun noch erleben. Zum Beispiel Cioma Schönhaus (im Film gespielt von Max Mauff), der 2015 im Alter von fast 93 starb. Er gab sich ab 1942 als Soldat kurz vor dem Einsatz aus und mietete jeden Abend nach Ablauf der Meldefrist ein anderes Zimmer – bis eine Vermieterin ihn aus Steuergründen gar nicht erst melden wollte. Zwar ging das nicht lange so, doch bald war er Teil eines Netzwerks. Er war Grafiker, fertigte sich selbst einen „Arier“-Ausweis und wurde dann ein gefragter Passfälscher. Ein wahrer Thriller: Mehrfach stand er knapp vor der Entdeckung. Einer seiner Auftraggeber war ein ranghoher Nazi, der unter dem Deckmantel seiner großbürgerlichen Existenz Juden zur Flucht verhalf. Schönhaus floh 1943 in die Schweiz.Hanni Levy (Alice Dwyer) hingegen war mit 17 schon Vollwaise und konnte nicht auf eine Unterstützergruppe zählen. Sie färbte sich die Haare blond und lief tagelang durch Berlin. Dann fiel sie einer Kinokassiererin als Dauergast auf. Die nahm sie bis zum Kriegsende bei sich auf. Ruth Arndt (Ruby O. Fee) tarnte sich unter einem schwarzen Schleier als Kriegswitwe. Sie arbeitete mit ihrer Freundin bei einem Nazi-Offizier als Hausmädchen und servierte bei üppigen Gelagen ihren ärgsten Feinden Essen und Schnaps. Eugen Friede (Aaron Altaras) wurde lange von Freunden der Eltern versteckt und lernte dort die Mitglieder einer Widerstandsgruppe kennen, der er sich anschloss.
Der Film verbindet geschmeidig und hochinteressant Interviewsequenzen und Spielszenen. Bei den Geschichten der vier, einander damals unbekannt, muss man oft ungläubig staunen. Selbst die Betroffenen können kaum glauben, was sie gewagt haben. Sie denken: So tollkühn konnten sie nur sein, weil sie jung waren und naiv. Ihre Erinnerungen sind frei von Bitterkeit, denn sie haben eine besondere Erfahrung gemacht: Sie alle trafen Deutsche, die ihnen halfen. Den Filmemachern ist ein aufregender, faszinierender und unsentimental inszenierter Film gelungen, von den vier Schauspielern und Schauspielerinnen und dem gesamten Ensemble angemessen dezent gespielt. Übrigens ist dies auch die letzte Gelegenheit, den vor kurzem verstorbenen Andreas Schmidt zu sehen, er spielt einen der Unterstützer. Gründe genug, für diesen Film ins Kino zu gehen.
(Ingrid Bartsch)
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