Wer „Loving Vincent“ gesehen hat, kennt die außergewöhnliche Bildtechnik des Regie-Ehepaars Welchman/Kobiela. In ihrem neuen Film „Das Flüstern der Felder“ lassen sie wieder prunkvolle Bilder sprechen. Über 50.000 Ölbilder wurden von über 100 Künstlern geschaffen, die die real verfilmten Szenen auf Leinwände übertrugen. Die Gemälde wurden animiert und erneut zum Film zusammengeschnitten. Das Ergebnis: ein bildgewaltiges Werk, das man so noch nicht gesehen hat. Nach der mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Romanvorlage „Die Bauern“ von Władysław Stanisław Reymont erzählt der Film die tragische Geschichte der hübschen Jagna (Kamila Urzedowska), die in einem polnischen Bauerndorf lebt. Dort macht ihr der verwitwete Bauer Maciej (Miroslaw Baka), einen Heiratsantrag. Jagna liebt bereits heimlich einen anderen, doch ihre geldgierige Mutter überredet sie, den reichen Witwer zu heiraten. Jagna willigt ein, doch wen sie wirklich liebt, ist Antek (Robert Gulaczyk). Der ist aber nicht nur bereits verheiratet, sondern auch Maciejs Sohn. Das würde die Sache selbst im Köln des 21. Jahrhunderts nicht gerade einfach machen, in einem polnischen Dorf im 19. Jahrhundert jedoch führt diese Konstellation geradeaus in die Katastrophe. Die baut sich langsam auf und wird immer bedrohlicher, was in vier Jahreszeiten-Tableaus erzählt wird. Was im Frühling mit einer Leichtigkeit beginnt, endet im Winter tragisch. Die vier Jahreszeiten, die sich über die Geschichte erstrecken, sind wunderschön dargestellt. Das Säen des Korns, das Heranwachsen der Feldfrucht, das Ernten – die Natur im Einklang. Im Grunde nicht weniger natürlich sind zwei Menschen, die sich lieben. Die Intensität des Verlangens zwischen Jagna und Antek wird nicht nur in den heimlichen Treffen, sondern auch in häufigen Tanzsequenzen gezeigt, die von polnischer Volksmusik eindringlich begleitet werden. Das Weib als ewige Sünderin – ein beliebtes Thema der Weltliteratur, das selten so bildgewaltig und atemlos gezeigt wurde wie hier.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs will Ruth (Lena Dunham) die Wurzeln ihrer jüdischen Familie kennenlernen und nötigt ihren Vater (Stephen Fry), der einst vor dem Holocaust floh, sie in seine alte Heimat Polen zu begleiten. Der ist nicht begeistert, will Ruth aber auch nicht allein lassen, und so starten beide zu einer Reise, die zur emotionalen Tour de Force wird. Julia von Heinz macht aus der autobiografischen Romanvorlage von Lily Brett eine leichte Tragikomödie, die der Abgründigkeit des Themas nicht ganz gerecht wird. Spannend ist „Treasure – Familie ist ein fremdes Land“ indes als Road Movie durchs postsozialistische Polen und dann, wenn er vom Clash erzählt zwischen den jüdischen Besuchern, die sich an den Schatten der NS-Diktatur abarbeiten, und Polen, die gerade die Sowjet-Diktatur hinter sich gelassen haben.
„Wie nennt man einen traurigen Kaffee?“ Mit einem Flachwitz beginnt „Sad Jokes“, der zweite Spielfilm von Fabian Stumm ("Knochen und Namen"), der soeben beim Filmfest München als bester deutscher Film ausgezeichnet wurde. Es geht um eine unkonventionelle Patchworkfamilie, die ziemlich aus den Fugen geraten ist. Mutter Sonya (Haley Louise Jones) kuriert ihre Depression, Vater Joseph (Fabian Stumm) verarbeitet die Trennung von seinem Ex-Freund. Der zaghafte Versuch, es noch mal mit einem neuen Lover zu versuchen, wird vom Babyphone unter- und schließlich abgebrochen. Diese und andere Tücken des Alltags befeuert Stumm durch gekonnte Screwball-Dialoge, zu denen auch die Sprachlosigkeit gehört. In der Widersprüchlichkeit des Lebens liegt die große Absurdität: Wie sollte man dem anders als mit einem großen und tragischen Humor begegnen?
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Tony Goldwyns Feeldgood-Drama „Ezra – Eine Familiengeschichte“, Tim Burtons Lottergeist-Sequel „Beetlejuice Beetlejuice“, Doris Metz' Biodoc „Petra Kelly – Act Now!“, Annika Appelins schwedische Komödie „Immer wieder Dienstag“, Maria Fredrikssons spannende Familien-Doku „Das Gullspång Geheimnis“ und Rupert Sanders' Neuverfilmung „The Crow“.
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