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Foto: Jakob Studnar

Getöpfertes Unbehagen

27. Februar 2014

Ulrich Greb inszeniert „Nathan der Weise“ in Moers – Theater Ruhr 03/14

Knete einen Golem, gestalte deine persönliche Philosophie und wenn du dann noch„Ich fördere alternative Lebenskonzepte“ mit „Ich stimme zu“ ankreuzen kannst, dann bist du richtig im VHS-Kurs „Töpfern für Weise“. Dass bei Ulrich Grebs Inszenierung ein Haufen Ton mitten auf der Bühne klebt, hat mit dem angestaubten Bildungswerk allerdings herzlich wenig zu tun. Er knetet sich so nur Lessings „Nathan der Weise“ zurecht und gestaltet einen sinnlichen Abend im Moerser Schlosstheater. Dafür gibt es Kopfhörer auf die Ohren, Tempelgewänder ums Knie und Klingelschilder an den Wänden. Ansonsten hat man zwei Stunden Zeit, atemlos dem Ringen um die wahre Religion zu folgen. Das dazu gehörende Gleichnis der Ringparabel haben die fünf SchauspielerInnen gleich zu Beginn fragmentiert über die Rampe gepresst: Gemeinsam mit flüsternder Stimme, während sie aus Ton kleine Männchen formen und schick auf dem Haufen drapieren. Doch schon da gibt es schnell Zwist und Hader um Größe und Position. Der Ton fliegt und wird schärfer. Einfach ist schon die leichte Töpferstunde nicht, was soll das erst werden, wenn die großen Fragen anstehen?

Regisseur Greb inszeniert die Geschichte und seine SchauspielerInnen deshalb gleich in schneeweißes Feinripp. Der Raum auf der Bühne ist schachtelig, mit Brennofentür und den von der Decke baumelnden Kopfhörern, mit denen sich die Schauspieler des Text versichern, aber auch gegen Argumente der anderen abschotten können. Der leicht verschmierten Rokoko-Kleidung entledigt, übernimmt ein Chor hier die Fragestellungen. Zwischendurch ein wenig tagesaktuelle Politkritik – muss wohl so sein – obwohl beim Augenzwinkern über die kinderschändenden Machenschaften des Klerus wohl niemand mehr schmunzeln kann. Diese Golems gehören einfach nur in den Tonklumpen der Hölle geknetet. In Moers geht das getöpferte Unbehagen weiter, Nathan als Ensemblechor verdichtet die Handlung, die stringent aber als großes Gedicht über den Zuschauer schwebt. Der finale Pathos und die damit verbundene unsägliche Verschwisterung fallen dem Brennofen zum Opfer. Ein Gotthold im zeitgenössischen Theatergewand macht die Sache unglaublich spannend, wenn auch für Lessing-Laien etwas undurchsichtig. Aber dafür gibt es ja die Volkshochschule.

„Nathan der Weise“ | R: Ulrich Greb | Do 6.3. 19.30 Uhr | Schlosstheater Moers |02841 883 41 10

PETER ORTMANN

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