Brennende Punks, tanzende Kameraköpfe und Ponys in Gummistiefeln - willkommen in der Sektion der Musikvideos bei den Oberhausener Kurzfilmtagen. Neben 16 internationalen und außer Konkurrenz laufenden Videos zeigten auch die zehn Clips mit Produktion und Regie in Deutschland eine große musikalische wie ästhetische Bandbreite.
Als die Kategorie des Musikvideos, kurz MuVi, vor 15 Jahren Teil des Oberhausener Programms wurde, war die Kritik immens. Der Einzug des Kommerzes durch das damals eng mit dem Musikfernsehen verknüpfte Genre, gar der Untergang des Festivals wurde prophezeit. 2013 gibt es das klassische Musikfernsehen nicht mehr und der Clip hat sich zu einer eigenständigen, höchst innovativen Kunstform entwickelt.
Internationale Clips - MuVI-International
Das Screening der internationalen Musikvideos füllte wie in den vergangenen Jahren wieder den großen Saal der Lichtburg. Gerahmt wurde das Programm durch zwei Clips zu Songs von dem unlängst der Versenkung entstiegenen David Bowie. Thematisch wie formal bildeten Be- und Entschleunigung den roten Faden dieses Blocks.
Formale Spielereien und audiovisuelle Zerstreuung allein goutierte das Publikum jedoch nicht. Stroboskopexperimente wie „Zeitraffer“ (Künstler: Flug 8) von Michel Klöfkorn, Super 8-Collagen wie „Onlookers“ (Calvino M) von Nikita Quasim oder Dax Normans und Bill Byrnes Animation „The Confused Clone’s Mirror Moment (The Painful Leg injuries)“ zeigten auf den ersten Blick experimentelle Clipästhetik, ohne aber eine echte Wirkung zu hinterlassen. Besonders positiv reagierten die Zuschauer auf „Cirrus“ (Bonobo) von Cyriak. Momentaufnahmen aus Archivmaterial eines Amerikas in den 50er Jahren verdichten sich zu einem kaleidoskopartigen Rausch einander überlagernder Schichten, als ob die uns bekannten und unbekannten Dimensionen kollidieren würden.
Verlass war auf die üblichen Verdächtigen wie Thom Yorke oder Björk. Radiohead-Frontmann Yorke entwickelte seine Soloperformance aus "Lotus Flower" erneut in Zusammenarbeit mit Garth Jennings weiter. Die elfengleiche Isländerin steuerte mit dem Video zu „Mutual Core“ ein von der ersten Einstellung an haptisch wirkendes Werk bei, das Texturen von körnigem Sand und aufplatzenden Erdkrusten regelrecht durch die eigenen Hände rinnen ließ. Nabil schwelgt zu Anthony and the Johnsons „Cut the World“ in den Canyon-artigen Gesichtskluften Willem Dafoes. Einzig David Lynchs verstörende Hinterhofszenerie „Crazy Clown Time“, bei dem Abziehbilder US-amerikanischer Idole in einem Hinterhof den Verstand verlieren, provozierte zu deutlichen Unmutsäußerung. Dem Meister des amerikanischen Albtraums hingegen hätte das gefallen.
Wettbewerb des deutschen Musikvideopreises
Im MuVi-Wettbewerb dominierten musikalisch elektronische Beats von Minimal bis zu dumpfen House-Bässen. Filmsprachlich präsentierten die deutschen Clips von minimalistischer Animation („The Exact Colour of Doubt“, Liars) bis hin zu opulenter Eleganz („We are on fire“, Cocorosie) eine große visuelle Bandbreite und konnten den internationalen Vergleich problemlos aufnehmen.
Von den parallel im Internet zur Abstimmung stehenden Clips kürte das Publikum „Left on a Little Farm“, eine Collage aus beschleunigten Super 8-Aufnahmen, die Einstellungen von Hochhäusern und Flugzeugen miteinander verschmilzt, zum Gewinner. Die internationale Jury setzte sich 2013 aus Kuratorin und Produzentin Isabelle Gaudefroy, Redakteur und "springerin - Hefte für Gegenwartkunst"-Herausgeber Christian Höller sowie dem in Oberhausen wohlbekannten Regisseur Michel Klöfkorn zusammen. Neben der platt wirkenden Konsumkritik in „Moth Race“ (Kreidler) und dem märchenhaften „Palimpsest“ (Smog) bewies das Trio aber mit „Therapeutikon“ (The Schwarzenbach) tiefschwarzen Humor. Zwei verstörende Gestalten wippen in einem Raum voller Müll vor sich hin, untermalt vom wiederkehrenden Refrain „Denken ist was für Bekloppte“. Welch trefflicher Kommentar zur Lage der Welt.
Das gesamte MuVi-Programm finden Sie hier: www.kurzfilmtage.de/wettbewerbe/muvi-preis.html
Alle Clips sind auf YouTube, Vimeo oder tape.tv zu finden.
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