2012 richteten die Internationalen Kurzfilmtage unter dem Thema „Provokationen der Wirklichkeit“ ihren Fokus auf das Oberhausener Manifest von 1962 und somit in die Vergangenheit. In diesem Jahr lautet das Motto knapp „Flatness – Kino nach dem Internet“. Das Festival wagt den Blick in die Zukunft des Kinos im Zeitalter der Digitalisierung. Dabei geht es weniger um ökonomische Aspekte, sondern um Fragen der Ästhetik.
Oberhausen weist sich einmal mehr als Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft aus. Als relativ junge Disziplin beschäftigt sich die Bildwissenschaft mit der Beschaffenheit und Oberfläche von Bildern in der post-analogen Ära und damit, wie sich diese auf unsere Wahrnehmung auswirken. Was Medienwissenschaft und Kunstgeschichte theoretisch diskutieren, wird bei der 59. Ausgabe der Kurzfilmtage mit den Mitteln des Mediums Film selbst hinterfragt. Akademische und praktische Herangehensweise an das Medium verschmelzen in den Podiumsdiskussionen, die während des Festivals täglich von 10 bis 12 Uhr kostenlos mit Akademikern und Kuratoren, aber auch Filmemachern und anderen Kreativen stattfinden. Eine der interessantesten dürfte dabei die Diskussion am 5.5. sein. Die Autorin und Filmwissenschaftlerin Maeve Connolly wird mit Thomas Elsaesser anhand der Fragestellung „Was war Kino?“ Praktiken des frühen Kinos und Kino als Ort zeitgenössischer Kunst diskutieren. Der bekannte Filmwissenschaftler Elsaesser hat neben vielen anderen Publikationen mit „Filmtheorie zur Einführung“ ein Standardwerk zur Filmgeschichte verfasst und ist, sofern er auf Englisch vortragen kann, stets ein kluger, wortgewandter Partner im Disput.
Abseits von so viel Theorie bietet Oberhausen aber auch wieder eine Plattform für außergewöhnliche Filmerlebnisse. In der Lichtburg an der Elsässer Straße werden in etwa einhundert Programmen 450 Produktionen aus 60 Ländern zu sehen sein. In den fünf Wettbewerbssektionen (Internationaler, Deutscher, NRW, Kinder- und Jugend und MuVi) konkurrieren 131 Filme um die Gunst der Juroren. Die Programmblöcke des Internationalen und Deutschen Wettbewerbs sind etwas für die experimentierfreudigen Cineasten. Die Filme des NRW-Wettbewerbs waren in den vergangenen Jahren die zugänglichere, weil zumeist narrativere Rubrik.
Hinzu kommen auch 2013 wieder Retrospektiven und Werkschauen in der Kategorie „Profile“. Vertreten sind der amerikanische Experimentalfilmer Luther Price, Wiederentdeckungen aus dem jugoslawischen Dokumentarfilm der 1960er und 70er Jahre und Arbeiten des aus Singapur stammenden Ho Tzu Nyen sowie eine Auswahl aus dem Fundus von Helga Fanderl. Höhepunkt dieser Sektion wird aber mit Laure Prouvost eine französische Regisseurin sein, die mit dem surreal-absurden „The Artist“ 2011 einen der beiden Hauptpreise in Oberhausen gewann.
Immer eine sichere Bank für ein audiovisuelles Kinoerlebnis der besonderen Art sind die Vorstellungen der Musikvideo-Kategorie. In dieser kurz MuVI genannten Sektion wird unter anderem seit 2001 der Publikumspreis für den besten in Deutschland produzierten Clip vergeben. Sichtung und Abstimmung ist online bis zum 3.5. möglich, alle Clips werden am 4.5. ab 22.30 Uhr gezeigt. Höhepunkt ist aber die Präsentation der internationalen Musikclips am 3.5. ab 17 Uhr. Künstler wie David Bowie, Björk oder David Lynch garantieren experimentelle Videoäthetik, die auf der Leinwand im großen Saal der Lichtburg dank des guten Soundsystems perfekt zur Geltung kommen.
Cinephile erwartet in den sechs Tagen des Kurzfilmfestivals wieder eine Menge filmischer Impressionen und die Grenzen der Wahrnehmung erweiternde Filme. Ein offener Blick, Experimentierfreude und die Lust an der kurzen Form sind dabei Voraussetzung.
59. Oberhausener Kurzfilmtage | 2.-7.5. | Lichtburg Oberhausen
Das gesamte Programm: www.kurzfilmtage.de/programm
Abstimmung zum MuVi-Preis: www.muvipreis.de
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