Neben den in die Sammlung integrierten Präsentationen veranstaltet das Museum DKM in Duisburg große, länger laufende Wechselausstellungen im Erdgeschoss – Schauen, die zugleich eine besondere Verbundenheit der beiden Stifter Dirk Krämer und Klaus Maas zu ihren Künstlern zum Ausdruck bringen. Auf Claudia Terstappen, deren Fotoarbeiten, Filme und Installationen nun in einer sorgfältig arrangierten Übersicht vorgestellt werden, trifft diese vieljährige Verbundenheit zweifelsohne zu. 1985 wurde Terstappen zu ihrer ersten Einzelausstellung in die damalige Galerie von Klaus Maas in Moers eingeladen, 2002 zeigte die DKM Galerie im Duisburger Innenhafen ihre Folge „Cruz del Romero“ aus riesigen UV-Direktprints. Und nun also ist im Museum DKM eine Werkschau zu sehen, die zwanzig Jahre umfasst und zeigt, wie konsequent Claudia Terstappen an ihrem Werk gearbeitet hat. Wie sehr sich die Betroffenheit und der Impetus zur Durchdringung ihrer Themen zwischen Wissenschaft, Glauben und Aberglauben gehalten haben und unmittelbar in die ästhetische Formulierung eingeflossen sind. Claudia Terstappen geht ihren Anliegen in ausgiebigen Recherchen nach und bleibt diesen verpflichtet. Es geht ihr um Feldforschungen am Ursprünglichen. Sie thematisiert den Umgang des Menschen mit der Natur und deren Missbrauch. Sie fragt nach den Forschungen, für die Tiere ihr Leben lassen. Und bezieht Stellung: Sie spricht bei den Tieren von „Opfern“, die für Forschungszwecke oder zur Unterhaltung (beim Stierkampf) ihr Leben lassen, und erkennt ihnen „Schönheit“ zu, die sie bannt, als „Totenmaske von Tieren im Moment des Todes“. Claudia Terstappen hat tote Tiere auf der Straße fotografiert; sie hat diese Fotografien freigestellt und in Überlebensgröße enorm präsent auf einen neutralen Fond geprintet. Ähnlich monumental wirken die Stierköpfe, die hier nun als Büsten Relikte der Stierkämpfe sind und in einer Art Galerie dezidiert inszeniert werden. Aber Claudia Terstappen weitet ihre Untersuchungen noch auf die spirituellen Bereiche des Menschen aus, die im Grenzbereich der Spekulation liegen. Sie hinterfragt das Verhältnis von Religion und faktischer Wirklichkeit, geht den Vorstellungen von Tod und Jenseits in den unterschiedlichen Kulturen nach und gibt dies in Bildern und Aufbauten wieder, die an Studierzimmer und Wunderkammern oder Altäre denken lassen. „Wo weiß man was tatsächlich?“, stellt Claudia Terstappen im Gespräch fragend in den Raum, „Wo ist es Glauben? Wie baut sich Wissen auf?“
Claudia Terstappen wurde 1959 geboren; nach einem Germanistik- und Philosophiestudium hat sie an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert und war Meisterschülerin bei Erich Reusch, der sie wiederum an Klaus Maas empfohlen hat – vielleicht weil sie in ihren Arbeiten zu einer ganz anderen Sprache und einem völlig anderen inhaltlichen Ansatz gefunden hat als er selbst in seinem Werk. Aber eines hat sie mit Erich Reusch und dessen reduktiver Raumplastik gemeinsam: Die Konzentriertheit der Form; die Fähigkeit, nicht erst drum herum reden zu müssen, sondern ihre Anliegen in punktgenauer Präzision bei gleichzeitiger Demut formulieren zu können.
Inhaltlich gehört Claudia Terstappen zu einer heutigen Generation von Künstlern, die sich fast naturalistisch und mit teils aufwändigen Versuchsaufbauten der Sprache der Naturwissenschaften bedient, um die Substanz unserer Realität und deren Gefährdungen zum Ausdruck zu bringen und kritisch auf den Einfluss der Wissenschaften auf unsere Gegenwart und Zukunft aufmerksam zu machen. Und für die meisten dieser Künstler, zu denen etwa auch Harald Fuchs oder Helmut Schweizer gehören, ist die eigenhändige Spurensuche in fremden Kulturen unverzichtbarer Teil der gesellschaftlichen Verantwortung. Im Kontext der Sammlungen der Stiftung DKM ist die Ausstellung mit Claudia Terstappen absolut konsequent und ohnehin eine gelungene, erkenntnisreiche Werkübersicht.
„Claudia Terstappen – Tanz, Tod und Beschwörung“ | bis 19.3.2012 | Museum DKM in Duisburg | www.museum-dkm.de
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