Im ersten Ausstellungsraum kreist ein Pendel knapp über dem Boden, von dieser Stelle führt ein weißer Kreidestrich zur Wand, an der ein Paar Sandalen steht. Auf der Wand selbst ist auf gleicher Höhe notiert: „010“. Mittig darüber befinden sich zwei Bilder hinter Glas: auf Augenhöhe innerhalb eines durchlaufenden Frieses eine tiefschwarze Fläche, die mittig durch einen Kreidestrich geteilt ist. Und unter der Decke ein frontales s/w-Porträtfoto des Künstlers, durch welches vertikal ein Bindfaden führt; dort ist am unteren Rand ein Holzstab eingeklemmt…
So komplex und einfach ist die Ausstellung von Gianfredo Camesi. Viele dieser Elemente kehren in den anderen Teilen der Ausstellung wieder, die sich über drei Räume im Museum DKM erstreckt. Neben dem Exerzitium in der Beachtung selbst gegebener Regeln erweist sich die Beobachtung der Natur als weiteres zentrales Motiv: Camesi hat in s/w-Fotos ihre allmähliche Veränderung festgehalten. Daneben folgen Reihen von Farbfeldern aufeinander, ausgehend von einem durch Quadrate gebildeten Kreuz. Ein Zugang zu der Ausstellung ist gleich im ersten Raum das Foto eines Buddha. Ein weiterer Zugang ist das Vorgehen von Gianfredo Camesi, der 1940 im Tessin geboren wurde.
Camesi arbeitet in jahrelangen Werkgruppen, die um die Suche nach universell lesbaren Zeichen kreisen, Kosmos und Leben als Fixpunkte nehmen und die Natur achten. Dazu hat er schon ab 1977 ein „Théâtre des Signes“, eine Folge von 1530 Zeichnungen zwischen Geometrie und einfacher Gegenständlichkeit entwickelt. Das Musée Rath in Genf hat dieses „Theater“ 1985 ausgestellt und dazu geschrieben: „In der Mitte zwischen den beiden Seitenflügeln deutet ein Senklot auf das Aufgerichtetsein des Körpers und seine Schwerkraft hin...“ Camesi arbeitet beharrlich an einer kontemplativen Zeichensprache, mehr intuitiv als rational verständlich, dabei begründbar und doch einzelgängerisch. Die Erfahrung seiner Werke in Ausstellungen hat viel mit Abschreiten und Innehalten und Stille zu tun – im Museum DKM ist er wahrlich gut aufgehoben.
„Gianfredo Camesi – Eccéité“ | bis 25.8. | Museum DKM in Duisburg | 0203 93 55 54 70
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der ganze Palermo
Blinky Palermo im Duisburger Museum DKM
Dialoge einer Sammlung
Einblick in die Sammlung des Museum DKM
Die Essenz von allem
Katsuhito Nishikawa im Museum DKM in Duisburg – kunst & gut 08/23
Brieftauben und Vogelperspektiven
Norbert Kricke in Duisburg – kunst & gut 01/23
Nackte Mannsbilder
„Eros in Erwartung der Ewigkeit“in Duisburg – Ruhrkunst 05/22
Die Natur, die Architektur und der Mensch
Sogar ein Werküberblick: Erwin Wortelkamp im Museum DKM in Duisburg – kunst & gut 11/19
Verhaltene Farben
Peter Royen in Duisburg – Ruhrkunst 02/19
Tiefes Schwarz
Patrick Hamilton in Duisburg – Ruhrkunst 11/18
Aus der Form
Gereon Krebber in Duisburg – Ruhrkunst 12/16
Die Welt in Stücken
Thomas Virnich bei DKM in Duisburg – RuhrKunst 05/14
Dialog mit der Natur
Richard Long im DKM Museum Duisburg – Ruhrkunst 08/13
Mit der Natur
Das Museum DKM stellt das multimediale Werk von Claudia Terstappen aus – Ruhrkunst 11/11
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
Roter Teppich für das Kino
Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 08/24
Lebendige Zeitgeschichte
Marga Kingler im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 07/24
Happy End
Ausstellung über Glück in Bochum – Ruhrkunst 07/24
Im Bann der Impulse
„Radiant“ im Lichtkunstzentrum Unna – Ruhrkunst 06/24
Alle für einen
Matthias Wollgast im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 06/24
Leben in der Wüste
Namibia-Ausstellung im Naturmuseum Dortmund – Ruhrkunst 05/24
Hin und weg!
„Ferne Länder, ferne Zeiten“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 05/24
Utopie und Verwüstung
„The Paradise Machine“ in Dortmund – Ruhrkunst 04/24
Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24