Die Kurzfilmtage Oberhausen sind unter den internationalen Festivals nicht nur eine der ambitioniertesten Veranstaltungen, sondern auch eine der strapaziösesten, was Festivalleiter Lars Henrik Gass durchaus als Kompliment verstünde. Wie eine Oase wirkt die Sektion des MuVi International, in der seit 1998 Musikvideoproduktionen dargeboten werden, die auditiv-visuelle Innovationen bieten, bei denen sich Schaulust und intellektueller Anspruch elegant vereinen. Die 19 Clips, auf Kinofeeling generierendem Großformat gezeigt, boten auch 2012 ein heterogenes Ensemble ästhetischer wie musikalischer Stilrichtungen; formal wie technisch schien das moderne Leben und dessen kritische Reflexion den Fokus zu bilden.
Die Singer/Songwriter votierten für schlichte bis verspielte Eleganz. Die britische Regisseurin Samantha Morton setzte mit ihrem Clip- Debüt zu „The Last Goodbye“ gar auf Purismus. In der Kabine eines anachronistischen Passbildautomaten nimmt die The Kills-Frontfrau Alison Moshart im schwarz-weißen Close-Up mit derart melancholischem Timbre Abschied vom Geliebten, dass man Lana del Ray sofort vergisst. In Verknüpfung von charmantem Amateurlook mit modernen Medien kreierten die Französin SoKo und Musikclip-Genie Spike Jonze mittels iPhone eine Liebesgeschichte mit einem Extraterrestrischen zu „I Thought I Was an Alien“.
Artifizieller inszenierte sich das elektronische Genre, wie die Tanzperformance zu den Klängen von Chairlifts „Amanaemonesia“ oder auch die Kollaboration der iranischstämmigen Leila Arab mit dem polnischen VJ-Duo Pussycrew bewiesen. Darcy Prendergasts lieferte mit einem Clip zu Gotyes „Easy Way Out“ einen augenzwinkernden Kommentar zum monotonen Alltagstrott. Auch die für unsere postmoderne Ära typische Selbstreflexivität fehlte nicht. Mit dem Video zu Bob Dylans „Love Sick“ verneigten sich der Musiker und der New Yorker Regisseur Alan Poes vor dem legendären „Subterranean Homesick Blues“-Video, auch der eklektische Clip der Hip-Hop-Formation Shabazz Palaces sprudelte über vor popkulturellen Zitaten. Paradigmatisch für die neue Positionierung des Musikvideos im virtuellen Zeitalter ist die US-Band OK Go, die erst durch ihre Clips im Netz Kultstatus erreichte und - wie ihr kaleidoskopartiges Video zu „All is not lost“ beweist - zu Recht zu den Stammgästen in Oberhausen gehört.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24
Traurig, aber wahr
67. Oberhausener Kurzfilmtage überzeugen im Online-Programm – Festival 05/21
Glück im Unglück
NRW-Wettbewerb bei den 67. Kurzfilmtagen Oberhausen – Festival 05/21
Andere, kurze Welten
Natürlich, virtuell: Die 67. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen – Festival 05/21
Unbequem bleiben
NRW-Wettbewerb bei den 64. Oberhausener Kurzfilmtagen 2018 – Festival 05/18
Un-Ort Dusche und der Rapper von Köpenick
Verleihung der 20. MuVi-Award bei den 64. Kurzfilmtagen Oberhausen – Festival 05/18
Der andere Film
64. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen – Festival 05/18
Großes Kino mit kleinen Filmen
Der Kurzfilm als kreativer Motor für die Zukunft des Kinos – Vorspann 05/17
Kein Geheimtipp mehr
NRW-Wettbewerb bei den 62. Kurzfilmtagen Oberhausen – Festival 05/16
Keine Angst vor harter Kost
Preisträger der 62. Kurzfilmtage Oberhausen – Festival 05/16
Kritik mit Wumms
18. MuVi-Award bei den Kurzfilmtagen Oberhausen am 7.5. – Festival 05/16
„Auf das Risiko muss man sich einlassen“
Lars Henrik Gass, Festivalleiter der Kurzfilmtage Oberhausen, im Interview – Festival 05/16
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
Filmgeschichten, die das Leben schreibt
Neue Dokumentarfilme aus einer verrückten Welt – Festival 01/24
Grenzen und Gewalt
31. Filmfestival blicke in Bochum – Festival 12/23
Humanoide Blumen
„Speaking Flowers“ beim Filmfestival blicke – Festival 12/23
Hattingen, Tian’anmen, Weltall
Weitblick-Preis für „Hochofen II“ beim Filmfestival blicke – Festival 12/23
Kino galore
European Arthouse Cinema Day 2023 – Festival 11/23
Komplizinnenschaft
Das IFFF bietet einen Blick auf feministische Solidarität – Festival 04/23
„Man muss sich über alte Zöpfe Gedanken machen“
Clemens Richert zur 44. Auflage der Duisburger Akzente – Festival 03/23
„Die Sichtung ist das Highlight!“
Katharina Schröder zum 30. Jubiläum des blicke Filmfestivals – Festival 01/23
Mehr als Ruhrgebietsromantik
Filmfestival blicke: Jubiläumsauftakt im Bahnhof Langendreer – Festival 12/22
An die Arbeit
Filmfestival blicke: Sonntagsmatinee in Bochum – Festival 12/22