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Nam June Paik: Liberation Sonata for Fish, 1969 © Nam June Paik Estate
Foto: Jürgen Spiler, Dortmund

„Nur Mut, jeder kann eine Idee zur Kunst haben“

30. Juli 2013

Die Leiterin der Ostwall-Sammlung über die Neupräsentation des Bestands – Sammlung 08/13

Als „Sammlung in Bewegung“ wird die Dauerausstellung des Museums Ostwall im Dortmunder U regelmäßig neu gestaltet. Ab September werden unter dem Motto „anybody can have an idea“, einem Zitat von Ben Vautier, neue Verbindungen zwischen bisherigen Ausstellungsstücken und Werken aus den Depots geknüpft. Insbesondere die Fluxus-Abteilung wird mit Arbeiten, die kürzlich als Neuankäufe und Dauerleihgaben ins Haus kamen, großflächig umgestaltet. Happening-Partituren, Spiele und Fluxus-Publikationen werden vorgestellt, ebenso Multiples aus dem VICE-Versand Wolfgang Feelischs. George Brecht und Robert Filliou wird ein eigener Raum gewidmet. Wolf Vostells Rauminstallation „Die Tänze“ wird erstmals durch Fotografien des Künstlers ergänzt.

trailer: Frau Grothe, „anybody can have an idea“ – also bauen wir mal um?
Nicole Grothe:
Nein, andersrum. Unser Konzept „Sammlung in Bewegung“ gibt es seit 2005; seit dem Beginn von Prof. Dr. Kurt Wettengl als Direktor des Museums. Seitdem gestalten wir regelmäßig unsere Sammlungspräsentation um, jeweils unter neuem Motto. Hier im Haus ist es bereits die dritte Neupräsentation. Weil wir dieses Mal besonders viele Werke des Fluxus präsentieren werden – einer Kunstrichtung, bei der viele Menschen oft noch nicht so richtig wissen, was sie damit anfangen sollen –, ist das Motto von Ben Vautier eher unsere Aufforderung: Nur Mut, jeder kann eine Idee zur Kunst haben.

Es kommt nicht auf die Menge der Inhalte an, sondern auf das Verhältnis von Zeichenaufwand und realisierbaren Beziehungen.“ Das ist ein Zitat von Franz Mon.

Dr. Nicole Grothe
Foto: Presse

Dr. Nicole Grothe ist Kunsthistorikerin. Sie promovierte an der Ruhr-Universität Bochum über Kunst im öffentlichen Raum und begann 2005 ein Volontariat im Museum Ostwall, wo sie bei mehreren Ausstellungen assistierte. 2007 kuratierte sie die Ausstellungsreihe „Wo ist Zuhause?“, 2008 die Retrospektive „Otto Piene: Spectrum“ und 2012 die Ausstellung „Alex Katz: Der perfekte Augenblick“. Vor zweieinhalb Jahren übernahm sie die Leitung der Sammlung des Museums Ostwall und entdeckte ihre Leidenschaft für Fluxus.

 

Von dem werden die Besucher auch was zu sehen bekommen. Auf die Inhalte kommt es schon an, ob es auf die Menge ankommt, ist immer so eine Frage. Bei „Sammlung in Bewegung“ wollen wir Werke, die die Besucher schon kennen, mithilfe anderer Werke in einen neuen Zusammenhang bringen. Zum Beispiel mit solchen Werken, die wir in den Depots stehen haben, weil wir aus Platzgründen nicht alles zeigen können. Oder wir stellen den bekannten Werken Leihgaben gegenüber. So kann man einen anderen Blick auf ein Bild ermöglichen, das man schon mehrfach gesehen hat.

Wie gehen Sie als Kuratorin dieser Ausstellung vor – schauen Sie genau, zu welchem Werk Sie welche Arbeit aus dem Depot dazuholen?
Ja, unter anderem. Dieses Mal haben wir uns vorgenommen, auch die Neueinkäufe, die wir im letzten Jahr aus der Sammlung Feelisch erworben haben, und die Werke aus den umfangreichen Dauerleihgaben der Sammlung Braun/Lief – beide zum Bereich Fluxus – zeigen zu wollen. Wir verfolgen also weiterhin das Konzept, unseren Fluxus-Schwerpunkt ausgiebig zu präsentieren. Erst mal haben wir geschaut, welches die Hauptwerke sind, die bleiben müssen. Denn es gibt Arbeiten, die wir eigentlich immer zeigen, wie beispielsweise den Schallplatten-Schaschlik von Nam June Paik. Dann schaut man, was noch im Grafikdepot in den Schubladen liegt – vielleicht sogar etwas, das wir ganz lange nicht gezeigt haben. Oft ist es auch eher ein intuitives Suchen, das sich dann durch Recherche und Nachlesen zu kunsthistorisch fundierten Bezügen verdichten lässt.

Aber Fluxus bleibt immer Orientierungsmarke in Dortmund?
Unbedingt. Das ist ja auch das, was uns als Museum in der Region und sogar weit darüber hinaus auszeichnet. Es gibt kaum ein Museum in erreichbarer Nähe, das einen derartig großen und wirklich guten Fluxusbestand hat. Durch die Neuerwerbungen aus der Sammlung Feelisch und die Dauerleihgaben der Sammlung Braun/Lief haben wir einen zusätzlichen Fundus, aus dem wir schöpfen können. Und da ist noch reichlich Luft nach oben, damit können wir noch viele Ausstellungen machen.

Ist das eine Entwicklung in den Museen, dass man sich spezialisieren muss?
Ich weiß nicht, ob man das muss. Es ist sicher dienlich, als Museum ein eigenes Profil zu entwickeln. Es gibt ja auch einfach wahnsinnig viel Kunst, und da muss man als Museum überlegen, wo man den Schwerpunkt legen will. Uns war klar, dass wir im Museum ein Verständnis fördern möchten, das einen Bezug zum Alltag herstellt. Wir wollen keinen abgehobenen White Cube, den eben nur Kunstfachleute besuchen. Stattdessen wollen wir versuchen, Kunst zu zeigen, die mit dem Alltag der Menschen gekoppelt ist. Weil wir durch die älteren Einkäufe aus den Sammlungen Cremer und Feelisch schon sehr viel im Bereich Fluxus hatten und Fluxus ja selbst eine Bewegung ist, die sehr stark mit Alltagsbezügen arbeitet, haben wir angefangen, das sukzessive auszubauen.

Aber das ist jetzt keine reine Fluxus-Ausstellung?
Nein, die Werke, die gezeigt werden, reichen nach wie vor vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Einen Schwerpunkt setzen wir tatsächlich beim Fluxus, aber es sind auch weiterhin Meisterwerke aus dem Expressionismus zu sehen, auch Videoarbeiten und Fotografien aus der Gegenwart.

Welche wichtigen Werke können denn immer seltener gezeigt werden?
Vor allen Dingen die Grafik. Das ist aus konservatorischen Gründen ein ganz großes Problem. Das Museum Ostwall besitzt einen riesigen Grafikbestand. Wir haben circa 5000 grafische Blätter. Das hängt damit zusammen, dass die Gründungsdirektorin Leonie Reygers nach dem Zweiten Weltkrieg die klassische Moderne rehabilitieren wollte und vorwiegend Grafik angekauft hat, weil das einfach günstiger war, als Gemälde zu kaufen. Das heißt, wir haben ganz tolle Blätter in der Grafischen Sammlung, beispielsweise von Picasso, Matisse oder Braque. Das Problem damit ist, dass man sie eigentlich immer nur für drei Monate zeigen kann; danach müssen sie für mindestens zwei Jahre wieder in die Schublade. Das ist ein Problem für alle Museen, die Arbeiten auf Papier ausstellen wollen. Deshalb freuen wir uns jetzt auch, dass wir bei dieser Sammlungspräsentation eine Mappe von Fernand Léger zeigen werden. Sie heißt „La ville“ und ist seit über 30 Jahren nicht mehr im Museum ausgestellt worden. Ich habe die bei Recherchen im Grafikdepot tatsächlich zufällig entdeckt, als ich mir eigentlich Matisse anschauen wollte. Plötzlich hatte ich den Léger in der Hand. Ich habe ihn quasi neu entdeckt und beschlossen, dass wir ihn zeigen.

„Sammlung in Bewegung: anybody can have an idea“ | 7.9.2013 bis 30.11.2014 | Museum Ostwall im Dortmunder U | 0231 5 02 47 23

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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