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26. März 2015

Wie sich Journalismus und grafisches Erzählen befruchten – ComicKultur 04/15

In den letzten Jahren haben Autoren immer häufiger den Comic als Medium für Sachthemen gewählt. Für „Ghetto Brothers“ haben sich der in New York lebende Fotograf und Journalist Julian Voloj und die Hamburger Illustratorin Claudia Ahlering zusammengetan. In der Graphic Novel, die für beide ein Debüt ist, erzählen sie von den Banden und der Gewalt im New York der frühen 70er Jahre. Vor allem skizzieren sie aber, wie es Benjamin Melendez, dem Anführer der Ghetto Brothers, gelingt, einen Frieden zwischen den Gangs herzustellen, der dazu führt, dass in den nächsten Jahren Konflikte nur noch ohne Waffen ausgefochten wurden. Denn aus diesem Waffenstillstand entstand Hip-Hop, bei dem man sich tanzend, rappend, DJ-end oder sprayend herausfordert, und nicht mit Waffen. Der grafische Stil wirkt flüchtig wie diese so kleine und doch so wirkungsvolle historische Episode (Avant Verlag). Um Banden geht es auch in „Weisse Wölfe“ des Journalisten David Schraven, der mit dem Illustrator Jan Feindt für sein Buch über rechten Terror in Deutschland zusammengearbeitet hat. Das Buch verbindet Einblicke in Schrevens Recherchearbeit mit der Biografie eines jungen Mannes, der sich immer mehr in die rechte Szene verstrickt. Dazwischen gibt es Auszüge aus den „Turner Diaries“ von William L. Pierce, die seit 1978 als Vorlage zahlreicher rechter Terrorakte gilt. Hier wird beschrieben, wie man sich in kleinen Zellen von bis zu vier Mann „führerlos“ gegen den Staat auflehnen kann, wenn auch die Zellen miteinander verbunden sind. Die Propaganda läuft wiederum zu großen Teilen über den Nazirock. Wer da im Falle der NSU noch von Einzeltätern redet, hat die Netzwerkarbeit der Täter nicht verstanden. Die Zeichnungen von Jan Feindt sind so sperrig wie das Thema unangenehm ist. Ein wichtiges Buch, dessen Verlag das gemeinnützige Recherchebüro Correkt!v ist (www.correctiv.org).

Ab ins Reich der Fantasie: Der in Frankreich lebende Andreas Martens Künstler veröffentlicht seit 1978 Comics und ist seitdem als Andreas vor allem im franco-belgischen Raum sehr erfolgreich. Seine achtbändge Serie „Rork“ ist Fantasy im Sinne von Lovecraft, seine feinen Zeichnungen erinnern an alte Stiche, der Seitenaufbau ist hingegen sehr flexibel und bewegt. Nicht nur die Pointen der Kurzgeschichten um Rork sind von Humor durchzogen, wodurch sich Andreas von anderen Lovecraft-Jüngern deutlich abhebt. Nun ist der erste von zwei Bänden der Gesamtausgabe um die haarsträubenden Abenteuer des weißhaarigen Mysterienerkunders erschienen (Schreiber & Leser).

Deutlich von Humor geprägt ist auch die Fantastik von Marc-Antoine Mathieu. Mit seiner Reihe um den Büroangestellten Julius Corentin Acquefacques in einer kafkaesk beklemmenden Welt widmet er sich mit jedem Band einem neuen Aspekt des Mediums und des Erzählens. In „Die Verschiebung“ verschläft Julius seine Geschichte – der Comic beginnt auf Seite 7 und der Protagonist hechelt seiner Story hinterher, während die Nebenfiguren gelangweilt im Nichts herumstochern … und philosophieren. Das ist großartig und urkomisch. In „Richtung“ versucht Mathieu Ähnliches, nur ohne Story. Die Hauptfiguren: Ein Mann und viele Richtungspfeile, denen er folgt. Das ist raffiniert und sieht nach schickem Coffeetable Book aus, kann aber auf ganzer Länge kaum so begeistern wie seine narrativen Werke (beide Reprodukt).

CHRISTIAN MEYER

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