Heavy Metal, Post-Hardcore, Punkrock und sogar Progressive Blues Rock: Beinahe schon ein Wunschkonzert für Ruhrpottrocker ist die Vorrunde des Bandwettbewerbs Emergenza im Bochumer Riff. Das weltweit größte Live Band-Festival trägt aktuell auf fünf Kontinenten seine Vorrunden aus. Beinahe täglich messen sich in mehreren der 150 teilnehmenden Länder Bands und Solokünstler, um den Sprung in die nächste Runde zu schaffen. Mit dabei: Bochum. Es ist der 7. März: Im Riff treten heute Abend sieben Bands aus der Region auf. Per Jury- und Zuschauervoting werden vier Gruppen direkt ins Halbfinale gewählt, das am 28. März in der Bochumer Matrix stattfinden wird.
Aus Köln und Schweden
Keiner will, einer muss: Den Job Opening Acts macht die Kölner Heavy Metal-Band Ripcorn. Der „erste Platz“ kommt nicht von ungefähr – der Erfolg der Bands im Vorverkauf bestimmt, welchen Slot sie bekommen. Je mehr Karten verkauft werden, desto später tritt eine Band auf. Als Ripcorn die Bühne betreten, haben sie mit einem noch recht menschenleeren Zuschauerraum zu kämpfen. Und es wird nicht unbedingt besser für die schwedisch-kölsche Band: Die Chemie stimmt nicht, das Publikum will nicht so wirklich in Fahrt kommen. Womöglich treffen Ripcorn auf die falsche Altersgruppe. Metal-, Punk- und Progressive Rock-Fans steht Musik mit Einflüssen von Heavy Metal-Urgesteinen wie Motörhead und Danzig gegenüber. Publikumsinteraktion? Fehlanzeige. Trotz solider Performance und technischer Sicherheit wirkt der Auftritt durch die fehlende Bühnenpräsenz zeitweise etwas unbeholfen. Ripcorn sind vor dem Ende ihrer Spielzeit fertig. Ein Lied wird spontan angehängt. Das anschließende Publikumsvoting: verhalten.
Die Indianer und das Mädchen
Out Of Script aus Essen orientieren sich musikalisch unter anderem an Bullet For My Valentine und Rise Against. Der Hang zum Düsteren mit Ausflügen in den Gothic Metal ist spürbar. Sängerin Anita wirkt sympathisch, ihre Stimme zum Teil jedoch kraftlos. Neben intensivem Bass und starken Gitarrenriffs erscheint ihr Gesang oft zwanghaft an die harten Rhythmen angepasst und verliert so trotz einprägsamer Melodien und klarer Struktur an Authentizität. Im Anschluss spielen Shambhala aus Ratingen, die als Indianer auf die Bühne springen und mit ihrem offensiven Auftreten eine Menge erwarten lassen. Shambhala spielen Alternative Rock und singen auf Russisch. Damit ziehen sie die Aufmerksamkeit des Publikums vorerst auf sich. Leider tragen mittelmäßiges Schlagzeug und eine recht eintönige Setlist dazu bei, dass sich zum Ende des Auftritts die Zuschauerreihen leeren.
Back to the roots
Den ersten Höhepunkt des Abends bescheren Levee Break aus Hattingen, welche sich auf eine Reise zurück in die Zeit von Johnny Cash begeben. Mit hervorragendem Gesang und Progressive Blues Rock begeistert die Band um Sänger Philipp Eckei das Publikum. Für viele steht schon jetzt fast fest, dass diese Band Juryliebling wird. Handwerklich sind Levee Break ganz vorne mit dabei. Statt harter Gitarrenriffs überwiegen spannende Melodien, die im Ohr bleiben. Die Zuschauer sind begeistert.
Kannibalenmädchen
Die Halterner Punkrockband Mohito Royal hat ihren höchstpassionierten Fanclub mitgebracht, der das Publikum näher an den Rand der Bühne lockt und mit seiner Leidenschaft ansteckt. Doch nicht nur durch ihre treuen Fans überzeugen Mohito Royal: Wenn jemand heute Abend Wert auf Publikumsinteraktion legt, dann Frontmann Mathias. Mit lockeren Ansagen und witzigen Sprüchen hat er die Zuschauer von Anfang an auf seiner Seite. Die Stimmung erreicht ihren vorzeitigen Höhepunkt. Obwohl technisch weniger versiert als ihre Vorgängerband, lassen Mohito Royal nichts anbrennen. Unsaubere Passagen werden schlichtweg ebenso Teil des Konzepts wie die teilweise deutschen und englischen Texte und humoristischen Themen der Songs.
Die alten Hasen
ZONE II bezeichnen sich nicht als die beste oder musikalisch auffälligste Gruppe. Sänger Heiko und seine Bandkollegen aus dem Ruhrgebiet sehen sich als erfahrene Live-Band, und in ihrer Disziplin können sie durchaus überzeugen. Eingängige Melodien aus dem Bereich Rock’n’Roll mit cleveren Texten und einer sicheren Performance werden gepaart mit dem einzigen Keyboardeinsatz des Abends. ZONE II kommen gut an, auch wenn ihre Musik nur bedingt Ohrwurmpotenzial hat. Als letzte Band treten Don’t Back Down aus Ennepetal auf. Die Band mit dem größten Erfolg im Vorverkauf schaffte es bereits 2014 in das Semifinale in der Matrix. Dieses Jahr spielen sie ohne Sänger Simon, den es ins Ausland verschlagen hat. Für den Frontmann springt Sänger und Gitarrist Lars ein. Obwohl diesem die Rolle des Frontsängers nicht auf den Leib geschneidert ist und es bei der Interaktion mit dem Publikum hakt, überzeugen Don’t Back Down mit harten Gitarrenriffs, aggressiven Shouting-Passagen und schnellen Rhythmen im Stil von Bring Me The Horizon.
Die Bekanntgabe der Gewinner ist keine Überraschung, denn das öffentliche Publikumsvoting nach den Auftritten war bereits verräterisch. Auf den vierten Platz schaffen es Levee Break, die auch von der Jury zur besten Band gewählt werden. Etwas mehr Stimmen erreichten ZONE II. Don’t Back Down mit den höchsten Vorverkaufszahlen landen auf dem zweiten Platz, nur drei Stimmen hinter den Siegern des Abends, den Halternern Mohito Royal, die vielleicht am besten verstanden haben, dass ein guter Draht zum Publikum genauso wichtig ist wie gute Musik.
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