Die Versöhnung mit der Natur wiederholt sich in der Dortmunder Ausstellung von Heinz Mack. Gleich zwei seiner Werke thematisieren den „Garten Eden“: Jeweils eine ganze Wand dominierend, in den Ausstellungsraum hinein strahlend und doch verhalten, wie aus einer anderen Welt. Hinter den matt glänzenden auf- und absteigenden Blattformen aus Aluminium und Edelstahl bzw. den aneinanderstoßenden, sich verschränkenden Farbflächen auf Leinwand steht die Vision grenzenloser Freiheit und vollkommenen Glücks. Heinz Mack umschreibt hier mit unterschiedlichen Mitteln einen Traum unserer Menschheitsgeschichte: bei dem Metall-Relief mittels industrieller Flächen (1966/76) und bei dem Gemälde (2011) mittels pastellener Farben, welche selbst Helligkeit zum Ausdruck bringen.
Das Werk von Heinz Mack umfasst Skulpturen, Reliefs, Zeichnung und Malerei, auch Filme. Es bezieht Raum, Struktur und homogene Fläche ein, Bewegung und Statik, Glanz und Stumpfheit, Dunkelheit und Helligkeit, Material und Immaterialität. Damit wurde Heinz Mack als Künstler berühmt und war ebenso zur Biennale in Venedig wie auch zur documenta eingeladen. In seinem Werk veranschaulicht er das Licht: als Ausdruck und Grundlage des Lebens und als Verweis auf die Ressourcen der Erde. Das ist seit über fünf Jahrzehnten engagierte und wichtige Kunst. Aber originell ist es längst nicht mehr, Heinz Mack auszustellen. Hier hängt es vielleicht auch mit der Verleihung des Kunstpreises der Kulturstiftung Dortmund an ihn zusammen. Andererseits ist Mack so bedeutend und innovativ als Künstler, dass er nicht nur diesen Preis verdient hat, sondern auch jede seiner vielen Ausstellungen ein Ereignis ist. Zuletzt, zum 80. Geburtstag, wurden ihm Schauen in der Bundeskunsthalle Bonn, im Museum Kunstpalast Düsseldorf und im Museum Abteiberg in Mönchengladbach, der Stadt, in der er lebt und arbeitet, eingerichtet. Ausgestellt wurde jeweils ein Bereich, nämlich die Skulptur, die Zeichnung und die kinetische Kunst, die freilich für sich nur Teile dieses Werkes sind. Schon deshalb ist die Präsentation, die das Museum Ostwall jetzt im Dortmunder U zeigt, so wichtig und empfehlenswert: Sie stellt exemplarisch das Gesamtwerk von Heinz Mack vor mit dem Anspruch, das künstlerische Konzept freizulegen und die zentralen Überlegungen herauszuarbeiten.
Protagonist der Zero-Bewegung
Heinz Mack gehörte gemeinsam mit Otto Piene und dem etwas später dazustoßenden Günther Uecker zu den Protagonisten der Zero-Bewegung ab Ende der 1950er Jahre. Als Reaktion auf die Zeit und den Zustand der Kultur definierten die jungen Avantgarde-Künstler in diesen Jahren einen Neuanfang quasi vom Nullpunkt aus und lösten sich radikal vom damals vorherrschenden expressiven Gestus, von der Buntfarbigkeit und von jeder Figuration. Bei den Zero-Arbeiten handelt es sich um gegenstandsfreie Formlösungen in großer Perfektion und mit dem Anspruch der Idealität. Das natürliche ebenso wie das künstliche Licht und die in dieser Zeit aktuellen Metalle, deren reflektierende Flächen als Scheiben und von innen erleuchtete Kugeln mitunter rotieren, werden zu den wesentlichen Mitteln, um Purismus, Reinheit und makellose Schönheit zum Ausdruck zu bringen und damit eine neue Ästhetik zu propagieren. Und Zero bezieht das Universum ein. Während Otto Piene sich dem Weltraum mit der Raumfahrt und dem Geschehen am Himmel zuwendet, strebt Heinz Mack in die unberührten Naturräume. Er arbeitet in der Arktis und in der Wüste, daraus entsteht in den 1960er Jahren sein „Sahara-Projekt“, bei dem er das Sonnenlicht auf Metallflächen treffen lässt und Sandreliefs entwickelt. Die Arbeiten von Heinz Mack reagieren bis heute aber auch auf unseren alltäglichen urbanen Raum. Auf öffentlichen Plätzen stehen etwa Stelen in Stein oder riesige Dreiecksformen, die an Segel erinnern, und von innen erleuchtete Stufen, über die Wasser fließt, oder gläserne Pyramiden. Auch da arbeitet Mack an den Grenzen von sinnlicher Sensibilisierung, Philosophie und naturwissenschaftlicher Erkenntnis.
Zentrale Verfahren, um das Licht sichtbar zu machen, sind für Mack das gleichmäßige Raster der glänzenden Fläche und deren Bewegung; die Lamellen drehen sich langsam, umfangen von einem Glaskörper. Die in Dortmund dazu im Dunkel ausgestellten Objekte stellen die Verwandtschaft zum Konstruktivismus des frühen 20. Jahrhunderts her – der schließlich auch den gesellschaftlichen Anspruch des Utopischen besaß – und verdeutlichen nebenbei, dass Zero Impulse für die spätere Op Art lieferte. Es ist plausibel, dass Heinz Mack nicht nur mit den neuen Materialien arbeitet, sondern auch den Rückbezug auf die Stoffe der Erde unternimmt, etwa mit der Keramik. Die gebrannte Glasur ermöglicht unterschiedliche Oberflächen und damit Farbnuancen, wobei Mack auf Einfachheit und Klarheit hinarbeitet. Schon in den Jahren davor ist Mack zur Malerei auf Leinwand in Buntfarbigkeit gelangt, mit der er immer wieder auf das Ornament der islamischen Kunst verweist. Aber das deutet die Dortmunder Ausstellung mit dem Bild zum „Garten Eden“ lediglich an. Mack thematisiert Farbe, indem er diese bricht. Farbe ist ein optisches Phänomen, und sie ist auch in den Arbeiten gegenwärtig, die schwarz oder weiß oder in Silber sind: Das sind die meisten der hier ausgestellten Werke. Aber das besondere Verdienst von Heinz Mack ist doch, dass er die Theorie der Zero-Kunst in die Sinnlichkeit überführt, und dass er die Bezüge zur Natur mit den neuen Technologien verknüpft, was in Dortmund – im Dortmunder U – besonders anschaulich ist. Eine wichtige Ausstellung am rechten Ort!
„Heinz Mack – Zwischen den Zeiten“ I bis 29.7. I Museum Ostwall im Dortmunder U I www.museumostwall.dortmund.de
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